Ist Krankheit ein Zeichen von Schwäche? Auf den ersten Blick würden die meisten Männer diese Einschätzung wohl ins Reich der Klischees verweisen. Dennoch handeln viele unbewusst danach. Tatsächlich gehen Männer nur halb so häufig zum Arzt wie Frauen. Sie gehen seltener zur Vorsorge, wissen vergleichsweise wenig über Gesundheit und missachten häufig sogar massive körperliche Warnsignale. „Viele Männer wollen noch immer der traditionellen Rolle entsprechen”, erklärt der Diplom-Psychologe Frank Meiners. „So genannte Wehwehchen passen da nicht ins Bild.” Umgekehrt erwartet auch die Gesellschaft von Männern offenbar eine gewisse Rücksichtslosigkeit im Umgang mit dem eigenen Körper. So werden zum Beispiel Männer, die sich mit Kopfschmerzen oder Migräne krank melden, insgeheim häufig belächelt. Wer dagegen einen Kater zugibt, gilt bei den Kollegen schon eher als „echter Kerl”.
Männer sterben mehr als fünf Jahre früher als Frauen. Schuld daran sind, neben der Scheu vor einem Arztbesuch, auch bestimmte männliche Verhaltensweisen. So praktizieren mehr Männer als Frauen Risikosportarten wie Bungee-Jumping und Fallschirmspringen. Sie ernähren sich weniger gesund - lieben laut einer DAK-Umfrage1 vor allem Fleisch auf dem Teller, was häufig zu schlechten Cholesterinwerten und Arterienverkalkung führt. Auch insgesamt machen sich Männer beim Essen wenig Gedanken. „Hauptsache, es schmeckt” gab fast jeder Dritte zu Protokoll.
Viele Frauen setzen schon wegen der Figur alles dran, in Form zu bleiben. Zwei von drei deutschen Männern sind dem gegenüber nach Angaben des Europäischen Statistikamtes Eurostat zu dick - und riskieren Krankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall. Während Frauen mit Übergewicht schnell als disziplinlos gelten, wird der männliche „Bauchansatz” ab einem bestimmten Alter gesellschaftlich durchaus akzeptiert.
Bei Männern sammeln sich überflüssige Kilos meist um die Körpermitte an und belasten den Stoffwechsel. Für Frauen ist das Risiko von Diabetes oder Arterienverkalkung geringer, weil die Pölsterchen meist besser verteilt sind.
Ebenfalls ein wichtiger Faktor: Frauen verfügen in Krisenzeiten offenbar über eine Art „soziales Immunsystem”. „Männer können ihre Gefühle oft nur schwer ausdrücken und gehen meist auch weniger soziale Bindungen ein”, erläutert der DAK-Psychologe. „Diese sind jedoch eine wichtige Voraussetzung für Gesundheit und seelisches Wohlbefinden.” Besonders deutlich wird dies bei schweren Krankheiten: Während Männer häufig mit ihrem Schicksal hadern, gelingt es Frauen oft schneller, eine neue Perspektive zu entwickeln und ihre Lebensfreude wiederzuerlangen.
„Der hat aber nicht viel von seiner Rente gehabt”, heißt es häufig, wenn Männer schon kurze Zeit nach der Verabschiedung ernsthaft krank werden oder sterben. Tatsächlich können Langeweile, fehlende Erfolgserlebnisse und Rollenkonflikte mit der Ehefrau zu Depressionen und Symptomen führen, die denen von akutem Stress ähneln. Das Herzinfarktrisiko ist für Männer in dieser Zeit dreimal so hoch wie für Frauen. „Für Männer spielt die Bindung im Betrieb, an Kollegen und Kunden eine wichtige Rolle. Nach der Pensionierung fallen viele dann buchstäblich in ein tiefes Loch”, erläutert Diplom Psychologe Frank Meiners. Sein Tipp: Männern, die sich bewusst auf „die Zeit danach” vorbereiten, Hobbys und Aktivitäten in Familie und Freundeskreis pflegen, fällt der Übergang leichter.
Das traditionelle männliche Selbstbild verhindert häufig auch, dass diese in Stress- und Belastungssituationen Hilfe annehmen. Statt Aufgaben zu delegieren, wollen es viele alleine schaffen - trinken stattdessen Alkohol zur Entspannung oder rauchen zu viel. Leider entsteht daraus schnell ein ernst zu nehmendes Suchtpotenzial. So sterben deutlich mehr Männer als Frauen an den Folgen überhöhten Alkoholkonsums. Auch beim Rauchen - und den damit verbundenen Gesundheitsrisiken - führen Männer die Statistik an.
Erfreulich: In jüngster Zeit scheint sich das Bild langsam zu wandeln. „Besonders aktive Männer um die 50, deren Leben sich weniger als das ihrer jüngeren Altersgenossen um Karriere und Leistung dreht, gewinnen in Sachen Gesundheit und Vorsorge oft neue Einsichten”, berichtet DAK-Experte Meiners. „Raus aus der Risikogruppe, rein in die Selbstverantwortung - das kann für jüngere Männer ein Vorbild sein.”
Repräsentatives DAK-Gesundheitsbarometer Juli/August 2007 ↩