Fibromyalgie: Wenn der ganze Körper schmerzt – Symptome, Ursachen und neue Behandlungen
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Fibromyalgie Ganzkörperschmerz - ©MD AI
Fibromyalgie – Wenn der ganze Körper schmerzt
Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und Griechischen: fibra (Faser), mys (Muskel) und algos (Schmerz). Die Beschreibung vom eingebildeten Kranken geistert vor allem im Zusammenhang mit der schwer identifizierbaren Fibromyalgie noch immer durch unsere Köpfe. Schmerzen in verschiedenen Körperregionen sind die Hauptsymptome des Fibromyalgiesyndroms. Zudem treten häufig Schlafstörungen und Erschöpfungszustände auf, begleitet von einer Reihe von Begleitsymptomen wie Morgensteifigkeit und Konzentrationsstörungen. Die Fibromyalgie zählt zu den funktionellen somatischen Syndromen, bei denen keine strukturell-organischen Ursachen nachgewiesen werden können, obwohl die Beschwerden real und teils sehr belastend sind. Die Erkrankung gilt heute als Störung der Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem. Für eine erfolgreiche Therapie sind vor allem Eigeninitiative, Geduld und eine gute interdisziplinäre Betreuung erforderlich. Die wichtigste Nachricht für Betroffene lautet: Sie sind nicht allein – und es gibt Wege, mit der Krankheit zu leben.
Symptome: Mehr als nur Schmerzen
Typisch für Fibromyalgie ist eine Vielzahl an Symptomen, die individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Zu den häufigsten gehören:
- Chronische, diffuse Schmerzen im ganzen Körper (besonders an Rücken, Nacken, Schultern, Brustkorb, Armen und Beinen)
- Schlafstörungen (nicht erholsamer Schlaf, Einschlaf- und Durchschlafprobleme)
- Starke Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue)
- Kognitive Beeinträchtigungen („Fibro-Fog“ – Konzentrations- und Gedächtnisprobleme)
- Morgensteifigkeit
- Kälte- oder Wetterfühligkeit
- Reizdarmsyndrom
- Kopfschmerzen oder Migräne
- Depressive Verstimmungen oder Angststörungen (häufig begleitend)
Die Beschwerden sind oft wellenartig, können sich bei Stress, körperlicher Belastung, Kälte oder Infekten verstärken und führen bei vielen Betroffenen zu einem erheblichen Verlust an Lebensqualität.
Wer ist betroffen?
Fibromyalgie betrifft etwa 2–4 % der Bevölkerung. Auffällig ist:
- Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer (Verhältnis ca. 9:1)
- Erkrankungsgipfel: meist zwischen dem 35. und 60. Lebensjahr
- Auch Jugendliche können erkranken, allerdings seltener
- Familiäre Häufung deutet auf eine gewisse genetische Veranlagung hin
- Begleiterkrankungen wie Rheuma, Reizdarm, Depression oder chronische Erschöpfung treten oft parallel auf
Diagnostik: Ausschlussdiagnose mit System
Die Fibromyalgie bleibt oft lange unerkannt, da sie keine nachweisbaren Veränderungen in Blutwerten, Röntgen oder Gewebeproben zeigt. Die Diagnose erfolgt daher meist nach dem Ausschluss anderer Erkrankungen (z. B. rheumatische Erkrankungen, Schilddrüsenunterfunktion).
Leitlinienbasierte Kriterien (z. B. nach ACR 20101):
- Widespread Pain Index (WPI): Schmerzlokalisation an mind. 4 von 5 Körperregionen
- Symptom Severity Scale (SSS): Schweregrad von Müdigkeit, Schlafstörungen, kognitiven Problemen u. a.
- Dauer der Beschwerden: mindestens 3 Monate
- Keine andere Erkrankung, die die Symptome besser erklärt
Früher war die Druckempfindlichkeit an bestimmten Tender Points (Druckschmerzpunkte) ein Kriterium – dieses gilt heute als überholt.
Therapie: Multimodal und individuell
Die Behandlung der Fibromyalgie ist komplex und sollte multimodal sein, d. h. verschiedene Therapiebausteine kombinieren. Eine vollständige Heilung ist nach heutigem Stand nicht möglich, aber eine deutliche Verbesserung der Beschwerden ist bei vielen Betroffenen erreichbar.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen (Goldstandard)
- Bewegungstherapie (z. B. moderates Ausdauertraining, Tai Chi, Yoga, Wassergymnastik)
- Psychotherapeutische Verfahren (z. B. kognitive Verhaltenstherapie)
- Entspannungsverfahren (z. B. progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitstraining)
- Patientenschulung und Selbstmanagement-Programme
- Gesunde Lebensweise (Ernährung, Tagesstruktur, Schlafhygiene)
Medikamentöse Behandlung (nur begleitend)
- Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Duloxetin) zur Schmerzmodulation und Verbesserung des Schlafs
- Pregabalin bei ausgeprägten Schmerzsyndromen
- Schmerzmittel wie NSAR meist wenig wirksam, Opiate werden nicht empfohlen
Komplementärmedizin & Ernährung
- Akupunktur, Phytotherapie (z. B. Johanniskraut bei Depression)
- Vitamin-D-Substitution bei Mangel
- Entzündungshemmende Ernährung wird diskutiert (z. B. mediterrane Kost)
Studienlage: Fortschritte, aber noch viele Fragen
Die wissenschaftliche Forschung zur Fibromyalgie hat in den letzten Jahren zugenommen, bleibt aber herausfordernd:
- Bildgebende Verfahren (z. B. funktionelle MRT) zeigen veränderte Schmerzverarbeitung im Gehirn
- Es gibt Hinweise auf eine Störung des autonomen Nervensystems
- Veränderungen im zentralen Neurotransmitterhaushalt (z. B. Serotonin, Noradrenalin)
- Die Wirksamkeit von Bewegung und kognitiver Verhaltenstherapie ist gut belegt
- Medikamentöse Ansätze zeigen nur begrenzte Effektstärken
Zusammenfassung:
Da die Krankheit gehäuft familiär, und dabei meist bei Frauen auftritt, kann man davon ausgehen, dass sie auf “einen einzelnen Ursachenfaktor oder Auslöser” zurückgeführt werden kann. Bedauerlich, aber wahr: Trotz verbesserter Erkenntnisse wird die Fibromyalgie immer noch gerne als psychische Erkrankung angesehen und ist nach wie vor “unter Ärzten und Medizinstudenten gering angesehen”.
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ACR 2010 Kriterien beziehen sich auf die neue Diagnosestandardisierung für Fibromyalgie, die 2010 vom American College of Rheumatology (ACR) veröffentlicht wurde ↩