Unter dem Begriff Sexueller Lustverlust versteht man die Abnahme des sexuellen Interesses, gefolgt von Orgasmus- und Erregungsproblemen sowie Schmerzen beim Sex. Daraus ergeben sich Einschränkungen der Lebensqualität, zumal das Thema Sex in den Medien allgegenwärtig ist und die verunsicherten Frauen zusätzlich unter Druck geraten.
Die Fragen zu diesem immer noch Tabu-Thema , wie beispielsweise welche Ursachen bekannt sind, und wie es mit der Bewältigungskompetenz steht, wird von den Frauen vielfach nicht unbefangen bei routinemäßigen Arztbesuchen angesprochen. Aber auch den Frauenärzten fällt das Gespräch über Sex durchaus nicht leicht und zählt darüber hinaus nicht zu dem Standardgesprächsplan in den ärztlichen Praxen. Es gibt vielfältige Gründe für die Tabuisierung : Diese reichen auf Seiten der Ärzte von der Befürchtung, im Praxisalltag keine Zeit für diesen Themenkomplex aufbringen zu können, über fachliche Unsicherheit bis hin zu dem Gefühl der Peinlichkeit. Letzteres gilt insbesondere für die betroffenen Frauen. Dennoch ist es wichtig, die Sprachlosigkeit zu überwinden, denn der erste Schritt weist den Weg zu der entsprechenden Diagnose, Aufklärung und Therapie. Nach neuen Erhebungen wünschen sich die meisten Betroffenen, dass der Frauenarzt, die Frauenärztin die Gesprächsinitiative ergreift, sensibel auf entsprechende Andeutungen reagiert, über die Peinlichkeit hinweghilft und die sexuellen Probleme ernst genommen werden.
Jede sexuelle Aktivität wird von einem Cocktail aus Hormonen und Botenstoffen gesteuert. Hormone entstehen in Drüsen (Eierstock, Nebenniere, Hirnanhangdrüse) und werden von dort in den Blutkreislauf geschleust. Als Botenstoffe wirken Neurotransmitter im Gehirn (Sexualität entsteht im Kopf). Sie übermitteln die Erregung von einer Nervenzelle zur anderen. Grundsätzlich ist sexuelle Lust das Ergebnis erregender, aber auch hemmender Faktoren, wobei fördernde Voraussetzungen überwiegen müssen, um Lust entstehen zu lassen, anderenfalls kippt die Erregung. Ein entscheidender Unterschied besteht zwischen den Geschlechtern: Optische Reize beflügeln Männer schneller und viel intensiver auf dem Weg zur Lust als Frauen.
Wenn frau jung und frisch verliebt die ganze Welt umarmen möchte, spielt in diesem rauschähnlichen Zustand nur die pralle Lust eine Rolle. Die großzügige Ausschüttung der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin sowie des Stresshormons Cortisol im Verbund mit dem urmännlichen Hormon Testosteron zeigt verblüffende Wirkungen, die vielfach von der Umgebung mit Kopfschütteln bedacht werden. Schließlich will es uns die Natur schmackhaft machen, den Fortbestand der Art zu sichern und der unterliegt dem Lustprinzip. Übrigens ist Testosteron für beide Geschlechter wichtig : Frauen zwischen 18 und 24 Jahren verfügen über den höchsten Testosteron-Spiegel. Hernach sinkt dieser kontinuierlich ab. Etliche Frauen erklären, dass ihre Lust auf Sex zur Zeit des Eisprungs besonders ausgeprägt sei und tatsächlich ist der Testosteron-Spiegel während der Zyklusmitte am höchsten. Fehlt Frauen nach dem operativen Verlust der Eierstöcke der Produktionsort des Testosterons, setzen vorzeitig die Wechseljahre ein. Eine Verschreibung von Testosteron-Pflastern (vorerst nur nach der Operation zugelassen) kann die Betroffenen dabei unterstützen, ihre Libido zu beleben. Zukünftig könnten für alle Frauen Testosteron-Pflaster eine Möglichkeit sein, der sexuellen Lustlosigkeit zu begegnen. Leider fällt nach etwa sechs Monaten der Verliebtheit der Hormonspiegel langsam ab und spätestens nach 18 Monaten ist alles wieder wie gehabt. Es tritt Gewöhnung ein und diese kann der Lustlosigkeit den Weg bereiten. Das urweibliche Hormon Östrogen ist für die Förderung sexueller Lust nicht primär zuständig. Es hat jedoch zahlreiche sexuelle Aufgaben im Organismus wie z.B. das Befeuchten der Scheide, der Schamlippen und der Schleimhaut der Blase. Östrogen hält das Gewebe elastisch und belastungsfähig. Mangelt es an Östrogen wird z.B. die Scheidenhaut dünn und empfindlich. Dies führt zu Schmerzen und kann beim Verkehr die Lust ausbremsen. Außerdem stabilisiert Östrogen die Abwehrfähigkeit gegen Bakterien, Pilze und weitere Keime, die z.B. Blasenentzündungen hervorrufen.
Gäbe es das so genannte Kuschelhormon Oxytocin nicht, wäre so manche Partnerschaft nicht auf längerfristige Dauer angelegt. Dabei kommt wieder ein Hormon ins Spiel, das beim Küssen, Streicheln, dem Geschlechtsverkehr sowie beim Orgasmus freigesetzt wird. Unter der Geburt und auch beim Stillen werden Frauen von Oxytocin förmlich überflutet. Das Hormon sorgt für Glück und Zufriedenheit , verstärkt das Verlangen, guten Sex zu haben, Kindern ein behagliches Nest zu bieten und fördert eine zufriedenstellende Partnerschaft.
Sexuelle Gesundheit ist mit Zufriedenheit, Wohlbefinden und Glück verschwistert. Störungen können als Frühsymptom für Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes Typ II, Depressionen und vieles mehr gelten. Unerklärbare sexuelle Störungen beruhen vielfach auf Neben - und Wechselwirkungen mit häufig verordneten Medikamenten.
Folgende Mittel können die Libido beeinträchtigen:
Während der Wechseljahre können Östrogene als lokale Therapie (Zäpfchen, Cremes, Gele) angewandt werden. Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen befördern die weibliche Lust in den Bereich „Moll”, sodass ein hormonelles Präparat zum Einnehmen -kurzfristig und individuell dosiert - die sexuelle Lust aktivieren kann. Leidensdruck durch Schmerzen oder Urinverlust beim Verkehr entsteht wegen der Schwächung des Beckenbodens. Eine Scheidensenkung kann sowohl mit konservativer Therapie als auch einem operativen Eingriff behoben werden.
Die Frauenärztinnen und Frauenärzte des Berufsverbandes Frauenärzte wissen, dass Gespräche dazu beitragen, Erleichterung bei sexuellen Störungen zu schaffen und Bewältigungskompetenz zu erreichen. Dies gilt für Ängste und Verunsicherung, die mit dem Tabu verbunden sind. Häufig kann sogar das vertrauensvolle Gespräch eine Sexualtherapie, die Gabe von Hormonen und Medikamenten überflüssig machen.