Mitten im Hochsommer schreckte uns die von der ABDA verbreitete Meldung über die gefährlichen Nebenwirkungen von Umckaloabo aus der Ferienstimmung. Lapidar wurde darin über alle möglichen Pressedienste verbreitet: „Derzeit gibt es Hinweise darauf, dass es als Nebenwirkung zu Leberschäden kommen könnte. Leberschäden zeigen zu Beginn keine eindeutigen Symptome“. DerVorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), Prof. Dr. Martin Schulz, führte in der ABDA-Meldung weiter aus, dass man „…verstärkt auf Hautausschlag, Juckreiz oder unspezifische Schmerzen im oberen Bauch achten…“ möge. Grundsätzlich heißt es in der Meldung weiter, sollte „Umckaloabo® nicht angewendet werden bei einer erhöhten Blutungsneigung, bei schweren Leber- und Nierenerkrankungen oder wenn gerinnungshemmende Medikamente eingenommen werden“.
Anlass der Depesche war der Fall eines 40-jährigen Mannes, dessen Leberenzyme im Rahmen eines stationären Aufenthaltes deutlich erhöht waren: Weil der Patient in den Wochen zuvor für einige Tage Umckaloabo eingenommen hatte, wurde die in der Klinik diagnostizierte Hepatitis auf die Einnahme des Präparates zurück geführt. Dass selbst die die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AdkÄ) sich dieser Schlussfolgerung anschloss, muss verwundern, wenn man nun in der Stellungnahme mehrerer ausgewiesener Leberspezialisten liest ; dass die Konstellation der Befunde bei diesem Patienten ganz stark dafür sprechen, dass dieser bereits eine Leberentzündung hatte, bevor er Umckaloabo einnahm. Doch immerhin ist von zwanzig weiteren Fällen dieser Art die Rede. Nicht die Rede ist davon, dass wir über 20 Verdachtsfälle in den letzten 15 Jahren sprechen in denen mehr als 50 Millionen Patienten mit Umckaloabo ihre Erkältungsbeschwerden behandelt haben.
Und dennoch: Als Anwender der Phytomedizin ist man nun durchaus geneigt, verunsichert zu sein. Obwohl, konnte man diese Kontraindikationen nicht schon immer in jedem, dem pflanzlichen Arzneimittel beiliegendem Beipackzettel nachlesen? Und besagt eine europäische Richtlinie nicht klar und deutlich, dass „..die Häufigkeitsangaben von Nebenwirkungen aus den Fällen aus klinische n Studien zu errechnen und in Fach- und Gebrauchsinformation auf dieser Grundlage zu deklarieren“ sind…Hingegen gelten Daten aus sogenannten Spontanmeldungen als von nachgeordneter Bedeutung.
Nun wissen Apotheker ja, dass ihre Kunden diese Pflichttexte gerne gar nicht oder nur flüchtig lesen. Kann also nicht schaden, nochmals, sozusagen als Hintergrundinfo zur Meldung, darauf hinzuweisen. Zumal man in der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gerade beschlossen hatte, „…Patienten dafür zu sensibilisieren, auf Nebenwirkungen zu achten und über diese mit dem Arzt oder Apotheker zu sprechen…“. Wer als angeblich mündiger Patient mal versucht hat, seinen behandelnden Arzt auf Nebenwirkungen eines von ihm verschriebenen Präparates aufmerksam zu machen, weiß, wie schnell er sich dabei den Unmut seines Gegenübers einhandelt.
Die erwähnten möglichen Symptome sind so weit verbreitet, dass sie vermutlich auf die Hälfte der Bevölkerung mindestens einmal im Monat zutreffen mögen. Unspezifische Schmerzen im oberen Bauch, ja bitte, wie genau definieren die sich denn? Muss man bereits an Leberschädigung denken, wenn es dort mal zwickt und zwackt? Oder nehmen wir den Juckreiz? Wer in feuchten Sommern in der Nähe eines stehenden Gewässers lebt, kratzt sich ohnehin den lieben langen Tag. Und zu den erhöhten Leberwerten ist anzumerken, dass Menschen mit einem zu hohen BMI, eben diese in vielen Fällen auch aufweisen. Studien aus den USA und Deutschland zeigen ferner auf, dass zwischen 7 und 11 Prozent der Bevölkerung erhöhte Leberwerte als Ausdruck einer Leberzellschädi gung haben, ohne davon zu wissen; also auch ohne jegliche Beschwerden !
Natürlich sind diese Betrachtungen stark polemisch, geben wir auch gerne zu. Aber sicher nicht mehr oder weniger überspitzt als die getroffenen Aussagen zu den Nebenwirkungen eines pflanzlichen Arzneimittels, das in den letzten zehn Jahren zu einem der beliebtesten Präparate gegen Atemwegsinfekte wurde- vermutlich auch weil es von den Patienten als wirksam und gleichermaßen verträglich wahrgenommen wird. Leider muss nämlich der Zusammenhang bestimmter Nebenwirkungen mit einem Arzneimittel nicht gesichert sein, der bloße Verdacht reicht hier bereits aus. Wenn das Gesetz „ in dubio pro reo “ fordert, so gilt hier der umgekehrte Grundsatz, nämlich im Zweifel für die Ankläger. Wie formulierte der deutsche Pharmakologe Gustav Kuschinsky einst so treffend: „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat“.
Da keimt der Verdacht auf, ob dieses Mittel sich möglicherweise nicht ein bisschen zu erfolgreich auf dem hart umkämpften Apotheken-Markt positioniert hat? Denn mit über vier Millionen verkauften Packungen pro Jahr zählt der ethanolische Extrakt aus den Wurzeln der südafrikanischen Kap-Pelargonie zu den Top-Arzneien, die frei verkäuflich über den Apothekentresen gehen. Die Umckaloabo vertreibende Firma Spitzner-Arzneimittel, ein zum Schwabe-Konzern gehörendes mittelständisches Unternehmen, nimmt mit dem verkaufsstarken „pflanzlichen Antibiotikum“ , welches primär bei akuten und chronischen Infektionen insbesondere der Atemwege eingesetzt werden kann, den nicht pflanzlichen Konkurrenzpräparaten wie Grippostad, Aspirin Complex, Ibuprofen, Paracetamol einen gehörigen Anteil am höchst einträglichen Kuchen weg. Dabei brauchen die Hersteller dieser, in aller Regel nebenwirkungsreicheren Medikamente, die Pflanze mit dem unaussprechlichen Namen eigentlich gar nicht zu fürchten. Denn Umckaloabo® zielt weniger auf Patienten, die ihre Symptome unterdrücken, sondern auf solche, die ihren Infekt an der Wurzel packen, sprich auskurieren wollen.
Quelle: ABDA Pressemeldung vom 1.August 2011 Quelle: 7/11 AT vom 8. Juli 2011 Quelle: t-online vom 9. August 2011 Quelle: AKDAE, Bekanntgaben 2011 Quelle: Spitzner Arzneimittel Quelle: Wikipedia