Schon der Vater der Heilkunde, Hippokrates (460 v. Chr. bis 377 v. Chr.), hatte erkannt, dass man am Atem eines Menschen Rückschlüsse auf dessen Gesundheit ziehen kann. Anfang der Siebziger Jahre dann wies Linus Pauling, US-Chemiker und Nobelpreisträger, einwandfrei nach, dass der Atem im Grunde genommen ein komplexes Gas ist, das weit über 100 verschiedene organische Bestandteile enthält. Jetzt nun hat es die Wissenschaft geschafft, dass ein Atemtest Blutproben und Biopsien ersetzen kann. Noch stehen wir erst am Beginn dieser verheißungsvollen Entwicklung – aber wie tröstlich doch immerhin, dass lästiges Gepieckse und die Entnahme von Gewebeproben ersetzt werden können.
Die neue Technik wird Heartsbreath-Test genannt. Entwickelt wurde sie von Professor Michael Phillips vom New York Medical College in Valhalla/New York. „Was wir da machen“, sagt er, „ähnelt schon den Alkoholtests der Polizei – unsere Patienten müssen aber nicht nur kurz pusten, sondern zwei Minuten lang in ein stählernes Röhrchen atmen“. Diese Atemprobe wird anschließend mittels eines Gaschromatographen und eines Massenspektroskops analysiert. Zum Vergleich wird auch die Luft des Behandlungsraums geprüft.
Am weitesten fortgeschritten ist dieser Test im Rahmen der Herzchirurgie, kann doch die Atemanalyse beispielsweise darüber Auskunft geben, ob ein transplantiertes Herz angenommen wird oder ob eine Abstoßung droht. Wird der Atem negativ beurteilt, können dem Patienten zwei ansonsten erforderlich werdende Biopsien erspart bleiben. In der Regel werden im ersten Jahr nach einer Herztransplantation mehr als ein Dutzend Biopsien vorgenommen.
„Die wurden mir erspart“, sagt Mark Blackowski (47), der vor zwei Jahren ein Spenderherz erhielt, „mein Herz wurde nicht gepiesackt. Mir wurde statt dessen die Nase mit einer Klammer zugemacht, ich atmete in das Röhrchen – fertig war das Ganze“.
Nicht nur der Patient hat von der neuen Technik einen Vorteil, es werden auch Kosten gespart, denn schließlich ist eine Herzbiopsie beträchtlich teurer als der Atemtest.
Es gibt allerdings auch Skeptiker unter den Fachleuten. Zu ihnen gehört der Transplantationsspezialist Dr. Mark Zucker in Newark. Er hält die Biopsie noch immer für zuverlässiger. Trotzdem wird er an weiteren Atemtests teilnehmen. Er sagt auch: „In der Medizin gibt es den generellen Trend hin zu nichtinvasiven Tests – und da passt der Herzatem-Test gut rein“.
Dr. Phillips, der die neue Technik erfunden hat, arbeitet bereits an weiteren Atemtest-Möglichkeiten. Er glaubt, dass sowohl Lungenkrebs als auch Tuberkulose mittels der Analyse des Atems erkannt werden können. In ersterem Falle könnte dem Patienten der CT-Scan mit seinen (geringen) Strahlungen erspart werden. Auch Lungenbiopsien könnten eines Tages überflüssig werden.
Professor Terence Risby von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health – einer Gesellschaft für Gesundheitsforschung – glaubt, dass die meisten Patienten solche Atemtests anderen Methoden vorziehen werden. „Vor allem Kinder“, unterstreicht er, „werden ihren Gefallen daran finden“.