Für fast eineinhalb Millionen Menschen ist es alles andere als liebgewordene Routine, sondern mitunter schmerzhafte Pflicht – der Stich mit der Lanzette, um mit den Blutstropfen seinen Blutzuckerwert und damit die benötigte Insulinmenge zu ermitteln.
Das forschende Pharmaunternehmen Abbott hat nur eine Lösung für das Problem vorgestellt: Flash Glucose Monitoring mit dem Messsystem FreeStyle Libre® nennt sich das System, welches mit Hilfe eines Sensor am Oberarm permanent Daten misst und speichert. Wird über diesen Sensor ein Lesegerät geführt, können nicht nur der aktuelle, sondern auch die Glukosewerte der letzten acht Stunden übertragen, gescannt und eingesehen werden. Der schmerzhafte Stich in die Fingerkuppe entfällt und – für viele sehr wichtig, die Diskretion bleibt gewahrt. Wer bis zu viermal täglich stechen muss, weiß es zu schätzen, dass nicht jeder die Krankheit sofort mitbekommt.
Doch die regelmäßige Blutzuckerkontrolle ist lebenswichtig, um den Glukosewert im Blut im „gesunden“ Bereich zu halten. Denn vor allem die sogenannte Hypoglykämie kann gefährlich sein und bis zur lebensbedrohlichen Situation führen. Zudem belasten zu niedrige wie auch zu hohe Werte den Körper, führen nicht selten zu Folgeschäden an Nerven und Gefäßen. Und selbst wer regelmäßig den Blutzucker misst, hat nur Momentaufnahmen der Glukosesituation zur Verfügung. Was dazwischen passiert, bleibt mit der traditionellen Blutzuckermessung verborgen.
Es klingt ein bisschen nach Science Fiction, ist aber seit kurzem Realität: Das Messsystem FreeStyle Libre® bedeutet mehr Freiheit für insulinpflichtige Menschen mit Diabetes. Sie müssen zwar weiterhin mit einer Spritze oder einem Pen Insulin zuführen, aber das Ermitteln des derzeitigen Glukosegehaltes im Blut wird wesentlich einfacher, schneller, unauffälliger, schmerzfreier und dabei viel aussagekräftiger. Der Stich in den Finger wird von einem einfachen Scan des Sensors abgelöst, der auch durch mehrere Kleidungsschichten funktioniert.1 Der Sensor selbst sitzt in der Unterhaut des Oberarms und wird auf der Haut mit einer Scheibe von der Größe einer 2 Euro-Münze fixiert. Dort bleibt er bis zu 14 Tage lang, bevor er ausgetauscht wird. Als mobiles Gegenstück fungiert ein Lesegerät von der Größe eines kleinen Handys (L x B x H: 9,5 x 6 x 1,5 cm).2 Das Flash Glukose Messsystem misst zwischen den Körperzellen im U nterhautfettgewebe, der sogenannten interstitiellen Flüssigkeit. Bei einem ausgeglichenen Glukosehaushalt sind beide Werte identisch, egal wo sie gemessen werden.
Mit Hilfe einer Auswertungssoftware wird ein sogenanntes Ambulantes Glukose Profil (AGP) angezeigt, das die Daten von 14 Tagen statistisch ausgewertet und grafisch aufbereitet hat. Der Kurve ist dann beispielsweise zu entnehmen, dass die Werte zu einem bestimmten Tageszeitpunkt oft zu hoch oder zu niedrig liegen oder eine starke Variabiliät haben, sprich sehr unterschiedlich sind. Im Patientengespräch kann auf Basis dessen ergründet werden, welches Verhalten diese Entwicklung des Glukosewertes auslöst und ob man es verändern kann.
Bei sich schnell verändernden Glukosewerten nach oben oder unten gibt es eine Zeitverzögerung von 5-10 Minuten, bis die Veränderung im Blut auch vom Flash Glukose Messsystem im Unterhautfettgewebe gemessen werden kann. Das muss der Mensch mit Diabetes wissen, wenn er vom Stechen aufs Scannen umsteigt, um die Werte richtig einzuordnen.3 Dann ist es jedoch kein Problem. Zusätzlich zu seiner erfahrungsgemäßen Einschätzung zeigen ihm Trendpfeile beim Flash Glucose Monitoring an, ob eine Veränderung nach oben oder unten zu erwarten ist und wie stark diese ausfallen wird.
Die beiden Untertypen unterscheiden sich durch die Entstehungsgeschichte der Erkrankung. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung. Das körpereigene Immunsystem zerstört die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das lebenswichtige Hormon Insulin herstellen, das Glukose aus dem Blut in die Muskel- und Fettzellen transportiert. Die Insulinproduktion wird innerhalb kürzester Zeit eingestellt. Bei Typ-2-Diabetes hingegen sind es die Körperzellen, die die Glukose aufnehmen sollen, die sich untypisch verhalten und nicht mehr ausreichend auf Insulin reagieren. Die Bauchspeicheldrüse versucht dies auszugleichen, indem sie immer mehr Insulin produziert – bis sie völlig erschöpft ist, die Produktion weniger wird und die Bauchspeicheldrüse irgendwann den Dienst versagt. Mit ca. 90 Prozent ist Typ-2-Diabetes in Deutschland die weitaus häufigere Form.
FreeStyle Libre® ist nur direkt bei Abbott im Online-Shop auf FreeStyle Libre erhältlich. Das Starter Set (1 Lesegerät, 2 Sensoren) kostet € 169,90. Die Sensoren gibt es auch im Jahresabo (für Senioren) zu € 54,90 pro Sensor.
Das Lesegerät kann die Daten des Sensors in einem Abstand von 1 cm bis 4 cm erfassen. ↩
Eine zusätzliche Prüfung der Glukosewerte mittels eines Blutzucker-Messgeräts ist erforderlich bei sich schnell ändernden Glukosespiegeln, weil die Glukosewerte in der Gewebeflüssigkeit die Blutzuckerwerte eventuell nicht genau widerspiegeln, oder wenn das System eine Hypoglykämie oder eine anstehende Hypoglykämie anzeigt, oder wenn die Symptome nicht mit den Messwerten des Systems übereinstimmen. ↩
In Phasen des schnellen Glukoseanstiegs oder -abfalls besteht ein physiologisch bedingter Unterschied zwischen der im Interstitium und der im Blut gemessenen Glukose von ca. 5-10 Minuten. Dieser sogenannte Time Lag (Verzögerungseffekt) zeigte keine Unterschiede im Ergebnis bei der Ableitung der Therapieentscheidungen. Referenz: Rebrin K, Sheppard NF Jr, Steil GM. Use of subcutaneous interstitial fluid glucose to estimate blood glucose: revisiting delay and sensor offset. J Diabetes Sci Technol. 2010;4(5):1087-1098. ↩