Vorweg: Klinische Studien oder Prüfungen sind nötig, damit ein neues Medikament zugelassen werden kann. Aber nicht allein Medikamente müssen vor der Zulassung „auf Herz und Nieren” geprüft werden, auch neue Behandlungsmethoden und selbst altbekannte Medikamente in neuer Darreichungsform müssen geprüft werden. So wird z.B. momentan Insulin weltweit untersucht. Das bewährte Medikament zur Behandlung von hohem Blutzucker war bislang nur in Form von Spritzen verfügbar. Wissenschaftler haben nun eine neue Darreichungsform entdeckt - ein Insulin, das inhaliert werden kann. Bevor es aber für alle Patienten verfügbar ist, also zugelassen, sind umfangreiche klinische Prüfungen, nicht allein zur Wirksamkeit, sondern auch zur Sicherheit vorgeschrieben.
In Phase-I-Prüfungen hat der neue Wirkstoff seine Feuerprobe zu bestehen. Zum ersten Mal wird sein Einfluss auf Stoffwechselvorgänge beim Menschen - in der Regel sind das gesunde Probanden - untersucht. Und in diesem Stadium zeigt sich zum ersten Mal, wie sicher das neue, zukünftige Medikament ist.
In Phase-II-Prüfungen wird der neue Wirkstoff zum ersten Mal an Patienten verabreicht, die genau die Erkrankung haben, für die das Medikament vorgesehen ist. Ziel dieser Prüfungen ist festzustellen, welche Dosierung die bestmögliche bei diesem Krankheitsbild ist.
In Phase-III-Prüfungen wird dann eine größere Anzahl von Patienten mit dem neuen Wirkstoff behandelt.
Erst wenn alle Prüfungen der Phase I-III abgeschlossen sind, kann ein Medikament zugelassen werden.
Phase-IV-Prüfungen müssen nach der Zulassung in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Mit diesen Prüfungen wird sichergestellt, dass das Nutzen-Risiko-Profil des Medikaments nach wie vor bestmöglich ist.
Die vorher beschriebenen Prüfphasen dürfen nicht parallel ablaufen, sondern nur nacheinander. Bevor der Startschuss für die nächste Phase gegeben werden kann, begutachtet ein wissenschaftliches Gremium die erhobenen Daten und berät über Nutzen und Risiko von weiteren Untersuchungen. Schon mancher Traum vom neuen Arzneimittel musste nach oder manchmal sogar während einer bestimmten Prüfphase zu Grabe getragen werden, weil das Risiko des neuen Stoffes höher bewertet wurde, als sein potenzieller Nutzen.
Doch bevor eine Prüfung, unabhängig von der Prüfphase, starten kann, müssen umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen erfüllt werden. Für jede einzelne Studie wird ein sogen Prüfprotokoll geschrieben, in welchem der Prüfablauf genauestens dargelegt wird. Dieses Protokoll wird dann dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der europäischen Zulassungsbehörde EMEA (European Medicines Agency) zur Begutachtung vorgelegt. Darüber hinaus muss die Studie auch von mindestens einer Ethikkommission bewertet werden.
Erst nachdem sowohl die Behörden als auch die Ethikkommission das Prüfprotokoll freigegeben und eine Genehmigung erteilt haben, darf eine Prüfung beginnen.
Und erst dann können Teilnehmer in eine Studie eingeschlossen werden.
Aber noch längst nicht jeder, der teilnehmen möchte, wird auch akzeptiert. Zunächst werden diejenigen Probanden oder Patienten auswählt, die aufgrund ihrer Gesamtkonstitution (Gesundheitsstatus, Alter, etc…) grundsätzlich für die Studie geeignet scheinen. Danach wird jeder einzelne genauestens untersucht. Bereits kleinste, oft auch unbedeutende Befunde, wie z.B. eine Allergie, oder sogar ein Schnupfen, führen zum Ausschluss.
Die schließlich ausgewählten Teilnehmer werden dann über den Ablauf der Studie, die vorgesehenen Untersuchungen, die geplante Dauer und die Risiken der Studie bzw. des Medikaments eingehend informiert. Jeder Studienteilnehmer kann jederzeit, ohne Angaben von Gründen und ohne Nachteile für seine weitere Behandlung aus der Studie aussteigen.
Währen jeder Prüfung werden die Teilnehmer besonders intensiv betreut - im Falle von Phase-I-Prüfungen, wo die Probanden in der Regel stationär aufgenommen werden, sogar Tag und Nacht. Die (ambulanten) Untersuchungen finden in regelmäßigen, oft sehr kurzen Intervallen statt. Während einer Studie wird jede, auch noch so geringe Veränderung im Befinden oder Gesundheitszustand sorgfältig untersucht und dokumentiert. Und schon kleinste Anzeichen von Unverträglichkeit eines Medikaments führen zum sofortigen Studienabbruch.
Obwohl bei jeder Studie umfangreiche Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, kann ein minimales Restrisiko nie völlig ausgeschlossen werden. Möglicherweise müssen wir damit leben. Weil ohne klinische Studien und ohne die vielen freiwilligen Patienten und Probanden sind, zumindest momentan, keine neuen Medikamente oder bessere Heilmethoden möglich.