In der Psychologie wird mir Resilienz die psychische Widerstandsfähigkeit bezeichnet, über die ein Mensch verfügt. Der Begriff der Resilienz hat sich erst in den letzten Jahren in der Psychologie etabliert, wurde zum Zauberwort und zum Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Resiliente Menschen sind in der Lage, persönliche Rückschläge auszuhalten und zu verkraften oder berufliche Krisen konstruktiv und scheinbar mühelos zu bewältigen. Dazu gehen sie aus Tiefs eher gestärkt als geschwächt hervor.
Wegbereiterin der Resilienzforschung ist die amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy Werner. In einer großangelegten Studie verfolgte sie das Schicksal von 700 Kindern über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren. Zwei Drittel der Kinder kamen aus einem positiven sozialen Umfeld mit einem geringen Risiko psychische oder sonstige Probleme zu entwickeln. Interessanter war für die Forscherin jedoch die Gruppe jener 200 Kinder, die aus desolaten Familienverhältnissen kamen, womit sie fürs spätere Leben eine insgesamt schlechte Prognose hatten. Während 2/3 dieser 200 Kinder ihr Leben nicht meisterten, erwiesen sich 1/3 als äußerst widerstandsfähig (resilient) gegenüber allen widrigen Lebensumständen. Sie schafften es, ihren Platz im Leben zu finden.
Dieser Unterschied zwischen seelisch verletzbaren und resilienten Kindern legte die Vermutung nahe, dass es möglicherweise eine genetische Disposition für dieses Phänomen gibt. Und tatsächlich fand man 2003 einen Erbfaktor, der Serotoninhaushalt und Enzyme im Hirn reguliert, die für die Freisetzung von Stresshormonenverantwortlich sind. Doch ist das Phänomen Resilienz sehr viel komplexer, um es allein auf genetische Disposition zu reduzieren. So spielen auch Umwelteinflüsse eine nicht unerhebliche Rolle. Und natürlich entwickeln auch resiliente Menschen psychische Erkrankungen und haben Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Bereich. Doch im Vergleich zu nichtresilienten Personen treten diese Probleme seltener auf und können aus eigenem Antrieb gut bewältigt werden.
Diese Frage stellt sich heute zwingender denn je, ist doch die Zahl der psychischen Erkrankungen – Burn out oder Depression – in den letzten Jahren rasant gestiegen. Mittlerweile sind sie der zweithäufigste Grund für Krankmeldungen und somit Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Wissenschaftler der American Psychological Association (APA) und der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen sind überzeugt davon, dass Resilienz, diese psychische Robustheit, bis zu einem gewissen Grad erlernbar ist. Und genau diese Erlernbarkeit sollten sich nicht nur Privatmenschen sondern auch Unternehmen zu Nutze machen. „Resilienz ist ein unternehmerischer Faktor, um nachhaltig erfolgreich zu sein“, so Dr. Joachim Galuska. Er ist Ärztlicher Direktor der Heiligenfeld Kliniken in Bad Kissingen, die auf die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert sind und für Unternehmer und Unternehmen Seminare zum Thema „Resilienz entwickeln“ an, in welchen aufgezeigt wird, wie die individuelle Kompetenz und die Fähigkeiten gestärkt werden können, um zu einem harmonischen beruflichen Erlebnis für alle zu werden.
Trotz der vielen Probleme, privat und beruflich, die unsere Psyche belasten oder gar in Krankheiten münden, sollten wir uns nicht als Opfer unseres Schicksals oder unserer Gene sehen, sondern einen Ausspruch des schottischen Schriftsteller Robert Louis Stevenson zum Lebensmotto machen: „Im Leben kommt es nicht darauf an, ein gutes Blatt in der Hand zu haben, sondern mit schlechten Karten gut zu spielen.“ Das trifft sicher den Kern von „Resilienz erlernen“.