Autor: Ulrich Wickert
Verlag: Piper
Seiten: 304
ISBN-10: 3492072860
ISBN-13: 9783492072861
Preis: EUR 22.00
Ich habe mittlerweile unzählige Tagesschau-Größen kommen und gehen gesehen. Wickert war zweifelsfrei einer der Besten. Und das gilt auch für seine Kriminalromane, die alle, wie könnte es anders sein, in seinem geliebten Paris spielen. Und so ist auch sein neuestes Werk, „Der Raub im Tunnel“ ein solider Krimi, der mich jedoch erzählerisch nicht immer überzeugen konnte. Wickerts Stärken liegen in der realitätsnahen Darstellung und dem Pariser Flair – seine Schwächen in der Figurenzeichnung und Spannungskurve.
In gerade erschienen, achten Fall für Untersuchungsrichter Jacques Ricou, wird ein Überfall auf einen schwarzen Mercedes im Pariser Tunnel du Landy zum Ausgangspunkt einer komplexen Ermittlung. Es gibt wohl kaum jemanden, bei dem da nicht sofort der Tod der Lady Di aufploppt. Aber es ist halt doch nur ein Tunnel, noch dazu ein anderer. Denn zu Tode kam hier niemand, vermisst wird nur der Aktenkoffer einer mysteriösen Dame. Enthält er doch einen Bitcoin-Schlüssel – ein Detail, das Ricous aktuelle Ermittlungen zu Geldwäsche, Korruption und dem Mord an einem Richter nun aber doch unmittelbar berührt.
Wickert verwebt reale Themen wie Kryptowährungen, Waffenhandel und Justizversagen in Paris, seiner zweiten Heimat, mit einer fiktiven Krimihandlung. Toll, die journalistischer Präzision mit der Paris mit all seinen Facetten klar, sachlich und journalistisch geprägt, beschreibt. Allerdings fehlt mir ein bisschen die Lebendigkeit in seinen Dialogen. Hingegen sind seine Beschreibungen der Schauplätze atmosphärisch und detailreich, was Paris als Kulisse glaubhaft macht.
Jacques Ricou fehlt mir etwas die emotionale Tiefe - er bleibt ein zwar engangierter, aber doch eher blasser Protagonist. Und so hat man auch bei den Nebenfiguren – etwa Margaux, Ricous Freundin, das Problem sie als eigenständige Charaktere zu sehen.
Die Spannung entwickelt sich zäh. Zwar ist der Einstieg mit dem Raub packend, doch danach verliert die Handlung leider zunehmend an Tempo. Die Ermittlungen verlaufen teilweise vorhersehbar, Wendungen bleiben rar und alle nicht frankophilen Leser haben mitunter Probleme Orte und Personen richtig zu zuzuordnen bzw. zu verstehen. Weder Mogadischu noch Dschibuti sind Lesern unter 50 wirklich ein Begriff.
Aber: Wickert nutzt seine Krimihandlung auch als Vehikel für Kritik an Justiz und Politik in Frankreich. Die Verstrickung von Wirtschaft und Kriminalität wird deutlich, ohne belehrend zu wirken. Besonders die Bitcoin-Thematik verleiht dem Roman Aktualität – allerdings fehlt eine tiefere Auseinandersetzung mit den technischen und ethischen Implikationen.
Für mich ist Der Raub im Tunnel ein Krimi mit journalistischem Anspruch und gesellschaftlichem Kommentar. Wer Paris liebt und sich für aktuelle Themen wie Kryptowährungen interessiert, wird hier fündig. Literarisch bleibt der Roman jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurück: Die Figuren sind flach, die Spannung mäßig, und der Stil eher nüchtern als fesselnd.