Autor: Martin Suter,, Benjamin von Stuckrad-Barre
Verlag: Diogenes
Seiten: 320
ISBN-10: 3257073216
ISBN-13: 9783257073218
Preis: EUR 25.70
Mit „Kein Grund, gleich so rumzuschreien“ legen Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre eine Gesprächsaufzeichnung vor, die sich wie ein Versuch liest, öffentlich einen geschützten Raum der Freundschaft zu inszenieren – gleichzeitig aber auch mit einer gewissen Selbstverliebtheit kokettiert. Was als Dialog zweier Freunde angelegt ist, changiert zwischen literarischem Feuilleton-Plausch, Selbststilisierung und der unterschwelligen Abrechnung mit einem Kulturbetrieb, der beiden Autoren mal zu- und mal abgewandt war.
Formal reiht sich das Buch in eine Reihe literarischer Gesprächsbände ein, wie man sie etwa von Didier Eribon oder Thea Dorn kennt, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Der Ton ist leicht, fast flapsig, der Titel programmatisch ironisch – und das Format gibt sich lässig. Doch gerade diese betont lockere Haltung wirkt mitunter kalkuliert. Es geht nicht bloß um ein Gespräch, sondern um ein Arrangement: Suter, der elegante Schweizer Erfolgsautor, und Stuckrad-Barre, der popliterarische Exzentriker, liefern sich keine pointierte Auseinandersetzung, sondern eher ein wechselseitiges Bestätigungsritual. Man schmeichelt sich, neckt sich, spart aber das kritische Reiben weitgehend aus.
Die Sprache changiert zwischen boulevardeskem Witz und feuilletonistischer Pose, oft ist sie unterhaltsam, manchmal arg eitel. Der Humor: pointiert, aber mitunter auch bemüht. Man fragt sich: Für wen wird hier eigentlich gesprochen – füreinander oder für ein imaginäres Publikum?
Thematisch streifen die Gespräche viele Felder: das Schreiben, das Altern, Drogen, Beziehungen, Geld, Rezeption und Öffentlichkeit. Einige Passagen bieten echte Einblicke – etwa wenn Stuckrad-Barre über seine Abstinenz spricht oder Suter über die Mechanik seiner Romane reflektiert. Doch diese lichten Momente werden oft von Anekdoten überdeckt, deren Pointe auf den Effekt abzielt, nicht auf Erkenntnis. Das Ergebnis ist ein Sprechen, das Nähe suggeriert, ohne sich wirklich preiszugeben.
Zuweilen verliert sich das Buch in repetitiven Selbstreferenzen. Man kennt das: Erfolgreiche Männer reden über ihren Erfolg, ihre Krisen, ihre Eitelkeiten – und inszenieren sie als ironisch gebrochene Tiefsinnigkeit. Es fehlt die echte Reibung, die Ambivalenz, das Wagnis. Stattdessen: Kontrolle. Selbst da, wo Verunsicherung aufscheint, wirkt sie inszeniert. Wer hofft, die inneren Spannungen zweier schreibender Männer ernsthaft ausgelotet zu sehen, bleibt enttäuscht.
Ein wiederkehrendes Motiv ist der Umgang mit Medien, Kritik, Öffentlichkeit. Hier zeigen sich beide Autoren durchaus angriffslustig, aber auch selbstgerecht. Was als ironische Brechung daherkommen will – etwa Stuckrad-Barres Umgang mit medialer Aufregung – wirkt stellenweise wie Dünnhäutigkeit im Mantel der Ironie. Besonders problematisch ist, dass beide gerne über Exzesse sprechen, aber ohne sich ihnen wirklich analytisch zu nähern. Drogen, Prominenz, Rückzüge – das alles wird angerissen, aber selten konsequent durchdacht.
Man könnte fragen: Ist das nicht symptomatisch für eine Literatur, die sich gern als Grenzgängerin inszeniert, aber längst in den komfortablen Sesseln des Betriebs sitzt?
„Kein Grund, gleich so rumzuschreien“ ist ein unterhaltsames, teilweise witziges Buch zweier Männer, die sich in ihrer Freundschaft gefallen – und das zu Papier bringen wollen. Es ist kein schlechtes Buch. Aber es ist auch kein notwendiges. Es bleibt, was es ist: ein Nebenprodukt zweier öffentlicher Figuren, die sich gegenseitig die Eitelkeit polieren, ohne wirklich existenzielle Tiefe zu wagen.
Wer erwartet, hinter die Fassade zweier schillernder Persönlichkeiten zu blicken, wird enttäuscht. Wer sich an geschliffenen Sätzen, pointierten Bonmots und der schillernden Oberfläche erfreuen kann, kommt auf seine Kosten. Es bleibt letztlich: ein clever vermarktetes Freundschaftsspiel zweier Männer, die wissen, wie man sich gut verkauft.
Martin Suter wurde 1948 in Zürich geboren. Seine Romane (darunter ›Melody‹ und ›Der letzte Weynfeldt‹) und die ›Business-Class‹-Geschichten sind auch international große Erfolge. Seit 2011 löst außerdem der Gentleman-Gauner Allmen in einer eigenen Krimiserie seine Fälle, derzeit liegen sieben Bände vor. Er lebt mit seiner Tochter in Zürich.
Benjamin von Stuckrad-Barre, geboren 1975 in Bremen, hat ein großes Publikum u. a. mit ›Soloalbum‹, ›Panikherz‹ und ›Noch wach?‹ erobert.