Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit einem Neurologen einer Rehaklinik am Starnberger See. Er erzählte mir, dass seit Corona immer mehr Patienten mit einem Boreout zur Reha eingewiesen werden. Anfangs dachte ich, ich hätte mich einfach verhört, aber schnell wurde ich aufgeklärt, dass es mitnichten um das in der öffentlichen und medizinischen Diskussion weit verbreitet Burnout gehe, sondern um dessen stilleren und weitgehend unbekannten Verwandten, das “Boreout”. Dabei betrifft das Syndrom gar nicht wenige Menschen, vor allem in unserer modernen, rationalisierten Arbeitswelt. Zwar ist das Boreout noch keine offizielle Diagnose (und somit auch nicht gelistet in der ICD-10 oder DSM-51), aber ein zunehmendes psychisches und psychosomatisches Problem mit ernstzunehmenden gesundheitlichen Folgen.
Das Boreout (von engl. boredom = Langeweile) beschreibt einen Zustand chronischer Unterforderung. Dieser geht vor allem einher mit Monotonie und Sinnentleerung am Arbeitsplatz. Über längere Zeit führt er zu psychischer Erschöpfung bis hin zur inneren Abkehr und zu gesundheitlichen Beschwerden. Es handelt sich also nicht einfach nur um akute Langeweile, sondern um eine strukturell verankerte Unterforderung über Monate oder Jahre. Sowohl Betroffene als auch Unternehmen sind daher aufgefordert, die oft unsichtbare Problematik zu erkennen – und gegenzusteuern. Denn genauso wie man am Zuviel zerbrechen kann, kann auch das Zuwenig krank machen.
Merkmal | Burnout | Boreout |
---|---|---|
Hauptursache | Überforderung, Dauerstress | Unterforderung, Langeweile |
Auslöser | Hohe Verantwortung, Zeitdruck | Mangel an Aufgaben, Sinnverlust |
Gefühl | Ausgebrannt, erschöpft | Leere, Frustration, Langeweile |
Verhalten | Hyperaktivität, Aktionismus | Passivität, Rückzug |
Gemein sind sowohl dem Boreout als auch dem Burnout die sehr ähnlichen Folgen: Antriebslosigkeit, Depression, psychosomatische Symptome – nur, der Weg dorthin ist unterschiedlich.
Boreout betrifft häufig sehr motivierte Menschen, die ihre Fähigkeiten nicht richtig einsetzen können oder dürfen.
Viele Betroffene verbergen ihre Unterforderung, weil sie Angst haben, undankbar oder faul zu wirken – ein Phänomen, das als Boreout-Maske bezeichnet wird.
Unbehandelt kann dies langfristig zu klinisch relevanten depressiven Episoden oder Angststörungen führen, mit den entsprechenden Risiken für Arbeitsausfall oder Frühverrentung.
Vor allem Betriebsmediziner:innen erkennen den Zusammenhang zwischen struktureller Unterforderung und psychischer Erkrankung zunehmend an. Die Diagnosestellung erfolgt daher meist im Rahmen einer psychotherapeutischen oder arbeitsmedizinischen Abklärung, z. B. bei Verdacht auf Depression, Anpassungsstörung oder psychosomatische Beschwerden.
Hinweis auf Boreout können folgende Aspekte geben:
ICD steht für International Classification of Diseases (Internationale Klassifikation der Krankheiten), DSM steht für Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) ↩