Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind kostenpflichtige Zusatzangebote in Arztpraxen. Sie sollen die Vorsorge verbessern, werden aber seit Jahren kontrovers diskutiert. Manche sind nützlich und evidenzbasiert, andere gelten als überflüssig oder sogar schädlich. Für Patient:innen ist es deshalb wichtig, Nutzen und Risiken sorgfältig abzuwägen, die Kosten zu kennen und die eigenen Rechte wahrzunehmen.
In diesem Artikel erfährst du, welche IGeL-Leistungen sinnvoll sein können, welche kritisch bewertet werden, was sie kosten und welche gesetzlichen Regeln Ärzt:innen beachten müssen.
Was sind IGeL-Leistungen?
IGeL-Leistungen sind ärztliche Untersuchungen oder Behandlungen, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten sind. Das bedeutet: Patient:innen zahlen sie selbst. Gründe für die fehlende Kostenübernahme sind meist ein unzureichender wissenschaftlicher Nachweis oder die Ablehnung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Typische Beispiele für IGeL sind
- Professionelle Zahnreinigung
- Ultraschall-Screenings ohne konkreten Anlass
- Augeninnendruckmessung (Glaukom-Screening)
- PSA-Test für Männer
- Lichttherapie bei Winterdepression
- Akupunktur zur Migräneprophylaxe
Eine Übersicht zu Bewertungen der einzelnen Leistungen bietet der IGeL-Monitor.
Nutzen vs. Schaden – wie sinnvoll sind IGeL?
Die wissenschaftliche Bewertung von IGeL ist sehr unterschiedlich. Viele Leistungen werden kritisch gesehen, nur wenige gelten als nützlich.
- Negativ oder tendenziell negativ: Untersuchungen wie Ultraschall-Screenings oder PSA-Tests können mehr Schaden als Nutzen anrichten. Häufige Probleme sind Überdiagnosen, unnötige Behandlungen und psychische Belastungen durch falsche Befunde.
- Unklar: Viele IGeL sind nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht. Hier ist der tatsächliche Nutzen ungewiss.
- Positiv bewertet: Nur wenige Angebote wie die Lichttherapie bei Winterdepression oder Akupunktur zur Migräneprophylaxe erhalten eine eher positive Bewertung.
Das Fazit von Expert:innen: Patient:innen sollten vor einer Entscheidung immer unabhängige Informationen einholen – etwa beim IGeL-Monitor oder bei Verbraucherzentralen.
Rechte und Pflichten: Was Ärzte leisten müssen
Wer eine IGeL-Leistung angeboten bekommt, hat gesetzlich festgelegte Rechte. Ärzt:innen wiederum unterliegen strengen Pflichten:
- Aufklärungspflicht: Ärzt:innen müssen Patient:innen sachlich, verständlich und schriftlich über Nutzen, Risiken und Kosten informieren. Quelle: Bundesgesundheitsministerium
- Bedenkzeit und Vertrag: Vor Beginn ist eine schriftliche Einverständniserklärung notwendig. Patient:innen haben Anspruch auf Bedenkzeit (in der Regel mindestens 24 Stunden).
- Keine Koppelung: Eine IGeL darf nicht als Voraussetzung für eine Kassenleistung gestellt werden.
- Abrechnung nach GOÄ: Die Kosten richten sich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Der übliche Faktor beträgt 2,3. Höhere Faktoren sind nur mit schriftlicher Begründung zulässig.
Kosten: Wie teuer sind IGeL?
Die Preise für IGeL unterscheiden sich stark:
- Günstige Leistungen: ab ca. 15 € (z. B. Augeninnendruckmessung)
- Mittlerer Bereich: 30 – 120 € (z. B. PSA-Test, Zahnreinigung, Ultraschall)
- Hochpreisig: mehrere hundert bis tausend Euro (z. B. aufwendige Therapien oder Spezialverfahren wie H.E.L.P.-Apherese)
Da Praxen die Kosten unterschiedlich kalkulieren, lohnt sich ein Preisvergleich. Auch Krankenkassen können in Einzelfällen Zuschüsse gewähren, besonders wenn es um Risikopatient:innen geht.
Patientenrechte: Was tun bei Problemen?
Patient:innen sind nicht verpflichtet, eine IGeL-Leistung in Anspruch zu nehmen. Wichtig ist, bei Unsicherheit Fragen zu stellen und sich nicht unter Druck setzen zu lassen.
Bei fehlender Aufklärung, unangemessenem Druck oder unzulässigen Praktiken gibt es verschiedene Beschwerdemöglichkeiten:
- Verbraucherzentrale: IGeL-Ärger.de
- Landesärztekammern
- Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)
Übersicht: Muss – Kann – Kosten
Thema |
Beschreibung |
Muss (Pflichten) |
Ärzt:innen müssen aufklären, Vertrag vorlegen, Bedenkzeit geben, keine Kopplung mit Kassenleistungen |
Kann (Optionen) |
IGeL wählen oder ablehnen, Preise vergleichen, Krankenkasse nach Zuschüssen fragen, Beschwerde bei Druck oder Missständen |
Kosten |
Abhängig von der Leistung: von ca. 15 € bis über 2.000 €; üblicher GOÄ-Faktor 2,3×; Vergleich lohnt sich |
Bekannte IGeL-Leistungen im Detail (alphabetisch sortiert)
Akupunktur (z. B. Migräneprophylaxe)
- Nutzen: Kann Migräne und Spannungskopfschmerzen lindern.
- Risiken: Sehr gering, meist nur kleine Hämatome oder Blutungen.
- Kosten: 30 – 80 € pro Sitzung.
- Fazit: Kann bei bestimmten Indikationen sinnvoll sein, jedoch variieren die Ergebnisse.
Augeninnendruckmessung (Glaukom-Screening)
- Nutzen: Kann Hinweise auf ein Glaukom liefern.
- Risiken: Unzuverlässigkeit, hohe Zahl an Fehlalarmen, unnötige Zusatzkosten.
- Kosten: 15 – 40 €.
- Fazit: Für Risikogruppen empfehlenswert, aber nicht als alleinige Vorsorge.
Lichttherapie (bei Winterdepression)
- Nutzen: Gut untersucht und wirksam bei saisonal abhängigen Depressionen.
- Risiken: Selten Augenreizungen oder Kopfschmerzen.
- Kosten: 50 – 150 € pro Serie in der Praxis, Heimgeräte oft günstiger.
- Fazit: Eine der wenigen IGeL mit klar positivem Nutzen.
PSA-Test (Prostatakrebs-Screening für Männer)
- Nutzen: Erkennt erhöhte Werte, bevor Symptome auftreten.
- Risiken: Sehr hohe Rate an falsch-positiven Befunden, Folge sind Überdiagnosen und riskante Eingriffe (z. B. Operationen mit Inkontinenzrisiko).
- Kosten: 25 – 35 €.
- Fazit: Umstritten – Entscheidung nur nach ausführlicher Beratung treffen.
Professionelle Zahnreinigung (PZR)
- Nutzen: Entfernt Beläge, beugt Karies und Parodontitis vor, verbessert Ästhetik und Atem.
- Risiken: Empfindliche Zähne, leichte Verletzungen des Zahnfleischs, bei aggressiver Behandlung mögliche Schädigung des Zahnschmelzes.
- Kosten: 35 – 120 € pro Sitzung.
- Fazit: Sinnvolle Vorsorge, besonders bei erhöhter Parodontitisgefahr. Viele Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten.
Ultraschalluntersuchungen (Screenings)
- Nutzen: Theoretisch Früherkennung von Tumoren oder Zysten.
- Risiken: Keine gesicherte Wirkung auf Sterblichkeit, viele Fehlalarme oder falsche Sicherheit.
- Kosten: 30 – 80 € pro Untersuchung.
- Fazit: Als allgemeines Screening nicht empfehlenswert, nur bei konkretem Verdacht oder familiärer Belastung sinnvoll.
Fazit: IGeL mit Augenmaß nutzen
Nicht alle IGeL-Leistungen sind automatisch Abzocke, aber auch nicht alle sind sinnvoll.
- Empfehlenswert: Professionelle Zahnreinigung, Lichttherapie und teilweise Akupunktur.
- Kritisch: Ultraschall-Screenings ohne Verdacht, PSA-Test und Glaukom-Screening als alleinige Maßnahme.
- Wichtig: Immer Zeit nehmen, Angebote vergleichen und sich unabhängig informieren.
Unabhängige Quellen wie der IGeL-Monitor oder die Verbraucherzentrale helfen bei der Entscheidung.
Häufige Fragen (FAQ)
Sind alle IGeL-Leistungen schlecht?
Nein. Einige sind nachweislich sinnvoll (z. B. Zahnreinigung, Lichttherapie), andere haben keinen belegten Nutzen oder sind riskant.
Muss ich eine IGeL-Leistung unterschreiben?
Ja. Ohne schriftliche Einverständniserklärung darf keine IGeL durchgeführt werden.
Kann ich IGeL-Leistungen nachträglich widerrufen?
In der Regel nicht, da es sich um eine medizinische Behandlung handelt. Bei fehlender Aufklärung oder unzulässigem Druck können jedoch Beschwerden eingereicht werden.
Gibt es eine seriöse Bewertungsplattform für IGeL?
Ja, der IGeL-Monitor bietet unabhängige, evidenzbasierte Bewertungen.
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