Notfallmediziner nehmen das Problem des Zögerns vor dem Notruf 112 an Festtagen wie Weihnachten und Neujahr sowie an den Wochenenden sehr ernst: Bei neu auftretenden unangenehmen Brustschmerzen, die länger als fünf Minuten andauern, denken Betroffene und ihre Angehörige oft nicht an einen Herzinfarkt und trauen sich wegen der Feiertage nicht, mit der Notrufnummer 112 den Rettungsdienst zu alarmieren. Stattdessen warten sie stunden- oder tagelang ab, ob die Beschwerden wieder von allein verschwinden. „Zögern Patienten bei Herzinfarkt oder akuten Brustschmerzen zu lange mit dem Notruf 112, riskieren sie ihr Leben“, warnt der Kardiologe Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, stv. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „In dieser Verzögerung liegt die Gefahr, dass der Patient plötzlich Herzkammerflimmern bekommen, ohnmächtig werden und in wenigen Minuten am Plötzlichen Herztod versterben kann.“ Ebenso kann durch den Infarkt ein größerer Teil des Herzmuskels irreparabel zerstört werden und der Patient entwickelt dadurch akut oder auch langfristig eine Herzschwäche. „Beim Herzinfarkt zählt deshalb jede Minute nach dem Prinzip: Zeit ist Herzmuskel.“
Der Herzinfarkt zählt zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland mit rund 50.000 Sterbefällen pro Jahr. Fast jeder vierte Herzinfarktpatient stirbt vor Erreichen des Krankenhauses. Vor diesem Hintergrund bietet die Herzstiftung den kostenfreien Ratgeber „Was tun im Notfall?“ (22 Seiten) mit einer Darstellung der Herzinfarkt-Alarmzeichen an. Dieser kann online oder per Tel. unter 069 955128400 angefordert werden.
Ergebnisse einer schwedischen Studie im Fachjournal BMJ – gestützt auf Registerdaten von über 280.000 Klinikaufnahmen wegen Herzinfarkts – lassen auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko u. a. an Weihnachten und Neujahr besonders bei Menschen, die über 75 oder bereits chronisch krank sind (z. B. Diabetes, koronare Herzkrankheit), schließen. Vermutlich, weil diese Patientengruppe besonders anfällig auf externe Auslöser (Trigger) für einen Infarkt wie Stress reagiert*. „Wir können aus eigener Erfahrung bestätigen, dass insbesondere bei längeren Feiertagsphasen wie zum Beispiel den Weihnachtsfeiertagen häufiger Herzinfarktpatienten aufgenommen werden, die zu lange gewartet haben, bis sie den Notarzt mit dem Notruf 112 gerufen haben“, betont Voigtländer und warnt: „Dadurch steigt die Gefahr lebensgefährlicher Rhythmusstörungen und der Entwicklung einer bedeutsamen Herzschwäche.“
Wer die 112 ruft, sollte den Verdacht auf Herzinfarkt deutlich äußern, damit ein Rettungswagen mit Notarzt geschickt wird. Die infarkttypischen Alarmzeichen sind leicht zu erkennen: Schwere, länger als fünf Minuten anhaltende Schmerzen überwiegend im Brustkorb, häufig auch ausschließlich hinter dem Brustbein, die in Arme, Schulterblätter, Hals, Kiefer und Oberbauch ausstrahlen können. Bisweilen auch nur im Rücken (zwischen den Schulterblättern) oder Oberbauch (Verwechslung mit „Magenschmerzen“ möglich). Die Schmerzen sind flächenhaft, nicht piekend, sondern sie werden als brennend, mit Engegefühl in der Brust und drückend beschrieben. Schweißausbruch, Übelkeit und Atemnot sind häufige Begleiterscheinungen. Wichtig: Der Umweg über den Hausarzt oder den Ärztlichen Bereitschaftsdienst mit der Rufnummer 116 117 („Notdienstnummer“) bei einem Herzinfarkt kann gefährlich sein, da ein Hausarzt und der Ärztliche Bereitschaftsdienst hier nichts anderes tun können als den Notarzt (112) zu rufen.
Beim Herzinfarkt wird ein Herzkranzgefäß durch ein Gerinnsel (Thrombus) verschlossen, sodass ein Teil des Herzmuskels von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten ist. In dieser Gefahrensituation ist sofort der Rettungsdienst (112) anzurufen, weil der Herzinfarkt jederzeit eine bösartige Herzrhythmusstörung (Kammerflimmern) auslösen kann, die in wenigen Minuten zum Tod führt, wenn nicht sofort reanimiert wird. Nur der Rettungsdienst kann das Kammerflimmern mit dem Elektroschock eines Defibrillators beseitigen und so den Patienten vor dem plötzlichen Herztod schützen. Jede Minute zählt jedoch auch, wenn ein Herzinfarkt nicht in Herzkammerflimmern übergeht. Dazu Kardiologe Prof. Voigtländer: „Je eher der Infarktpatient die Klinik erreicht, wo das verstopfte Herzkranzgefäß per Katheter wiedereröffnet wird, umso mehr Herzmuskel und Pumpkraft des Herzens können wir erhalten: Mehr Pumpkraft bedeutet mehr Lebensqualität für den Patienten.“
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