Warum entwickeln Frauen im höheren Alter andere Krankheiten als Männer – und warum verlaufen diese teils unterschiedlich? Bisher galten Hormone, Lebensstil und soziale Faktoren als Hauptursachen. Doch eine neue Studie der Technischen Universität München (TUM) zeigt: Die Antwort liegt möglicherweise in einem kaum beachteten Teil des weiblichen Erbguts – dem zweiten X-Chromosom.
Medizinisch ist seit Langem bekannt, dass Frauen im Alter:
All diese Unterschiede wurden bislang auf hormonelle Einflüsse (z. B. Östrogen) oder soziales Verhalten zurückgeführt. Doch das erklärt nicht alles – und die neue Forschung liefert nun einen genetischen Erklärungsansatz, der weitreichende Folgen für die geschlechtsspezifische Medizin haben könnte.
Im Gegensatz zu Männern (XY) besitzen Frauen zwei X-Chromosomen (XX). Um eine Überdosis an Genaktivität zu vermeiden, wird eines davon in jeder Körperzelle frühzeitig deaktiviert. Es wird zu einem sogenannten Barr-Körperchen – kompakt zusammengefaltet, unlesbar, inaktiv. So lautet zumindest die Theorie.
Schon seit Jahren ist bekannt: Manche Gene „entkommen“ dieser Inaktivierung – das heißt, sie bleiben auf dem stillgelegten X-Chromosom teilweise aktiv. Die neue Studie der TUM zeigt erstmals, dass dieser Effekt im Alter stark zunimmt. Die Zahl der „entkommenden“ Gene steigt – und zwar deutlich.
Das Forschungsteam der TUM analysierte die Genaktivität in verschiedenen Organen von weiblichen Mäusen – sowohl bei jungen als auch bei älteren Tieren.
Ergebnisse:
Ursache: Die sogenannte epigenetische Verpackung – also die Struktur, in der das Chromosom aufgerollt und „stillgelegt“ wird – verändert sich mit dem Alter. Vor allem an den Enden des Chromosoms wird diese Verpackung lockerer, wodurch zuvor abgeschaltete Gene wieder abgelesen werden können.
Viele der Gene, die im Alter wieder aktiv werden, sind direkt an Krankheitsprozessen beteiligt – teils schützend, teils schädigend.
Die Erkenntnis: Der Körper älterer Frauen produziert unter Umständen andere Mengen bestimmter Proteine, was zu veränderten Krankheitsverläufen führen kann – im Guten wie im Schlechten.
Ob der beschriebene Mechanismus auch beim Menschen in gleichem Maße auftritt, ist noch Gegenstand laufender Forschung. Doch: Das X-Chromosom ist bei Mäusen und Menschen in Aufbau und Funktion sehr ähnlich.
Die Forschenden halten es daher für hoch wahrscheinlich, dass auch beim Menschen im Alter eine vergleichbare Reaktivierung von X-Genen stattfindet – und dass dies einen bedeutenden Beitrag zur Frauengesundheit im Alter leisten könnte.
Die Ergebnisse der TUM-Studie könnten einen Wendepunkt markieren:
„Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass das zweite X-Chromosom im Alter eine bisher unterschätzte Rolle spielt“, erklärt Studienleiter Dr. Daniel Andergassen. „Es ist kein stiller Mitläufer – sondern ein aktiver Faktor für Gesundheit und Krankheit.“
Diese Entdeckung erweitert das Verständnis von Frauengesundheit im Alter grundlegend. Sie zeigt, dass nicht nur Hormone oder Lebensstil, sondern auch das reagierende Genom eine zentrale Rolle spielt.
Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer – doch sie tragen auch das Risiko, bestimmte Krankheiten anders oder häufiger zu entwickeln. Die reaktivierten Gene auf dem X-Chromosom könnten ein Schlüssel zum Verständnis dieser Unterschiede sein.
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