Einer nordamerikanischen Schlange ist es zu verdanken, dass ab Mai 2007 ein neues Mittel zur Bekämpfung der Diabetes 2 zur Verfügung steht. Dafür Pate gestanden hat die Gila-Krustenechse (Heloderma suspectum), in deren Speichel das Polypeptid Exendin vorkommt. Das ist die Grundlage für den Wirkstoff Exenatid, der gegen Diabetes 2 insofern einmalig ist, als er - im Gegensatz zu allen anderen Diabetes-2-Mitteln - keine automatische Gewichtszunahme verursacht. Im Gegenteil: Er kann die Patienten sogar bei der Reduzierung ihres Körpergewichts unterstützen. Das neue Arzneimittel aus dem Hause Eli Lilly ist der erste Vertreter einer völlig neuen Klasse von Diabetes-Medikamenten, den so genannten Inkretin-Mimetika. Das verschreibungspflichtige Medikament wird unter dem Handelsnamen Byetta auf den Markt kommen.
Der synthetisch hergestellte Wirkstoff ist baugleich mit der Substanz Exendin-4, der schon vor über 30 Jahren von dem amerikanischen Forscher Dr. John Eng im Speichel der Gila-Krustenechse entdeckt worden war. Das darauf basierende neue Medikament Byetta wird mit einem Fertigpen ins Unterhautfettgewebe injiziert. Die Dosis muss weder an das Essensvolumen noch die Höhe des Blutzuckers des Patienten angepasst werden. In den ersten vier Wochen der Behandlung werden täglich zweimal fünf Mikrogramm vor den beiden Hauptmahlzeiten gespritzt. Ab der fünften Woche wird diese Menge verdoppelt. Mehrere tausend Versuchspersonen zeigten während der Testphase des Medikaments „in der Regel gute Verträglichkeit”, heißt es seitens Eli Lilly. Die häufigste Nebenwirkung war zu Beginn der Therapie eine leichte bis mäßige Übelkeit. In den USA ist Byetta seit zwei Jahren zugelassen, in diesem Zeitraum wurden damit 400 000 Patienten behandelt.
Dr. Wolfgang-Gerhard Schmeisl ist Leiter der Inneren Medizin der Deegenbergklinik in Bad Kissingen. Für ihn spielt „neben der Senkung der Blutzuckerwerte die Gewichtsreduktion” bei einer Diabetes-2-Therapie „eine wichtige Rolle” - zweifellos bisher ein nicht zu unterschätzendes Problem. Denn Menschen mit Typ 2 Diabetes leiden häufig an Übergewicht, nehmen auf Grund bisheriger Therapien zudem noch zu. Ein Teufelskreis also: Je höher das Körpergewicht, um so schwieriger die Senkung der Blutzuckerwerte, um so höher auch das Risiko für schwerwiegende Diabetes-Folgeschäden.
Hier soll Byetta jetzt helfen und ein neues Therapie-Zeitalter einläuten. Schließlich leiden bis zu acht Millionen Deutsche an Diabetes, jährlich kommen 350 000 dazu. 90 Prozent davon haben Diabetes 2.
Die Gila-Schlange wurde nach dem gleichnamigen Fluss im Südwesten der USA genannt. Sie ist die einzige giftige Echse, doch ist ihr Biss für den Menschen nicht tödlich. Sie wurde 1859 entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze von dem berühmten US-Naturwissenschaftler S.F. Baird entdeckt. Sie wird etwa 70 bis 90 Zentimeter lang, hat einen breiten, massiven Körper, dessen Grundfarbe schwarz und höckerig und gezeichnet ist von rot-rosa-orangenen Flecken. Die Schlange ist dämmerungs- und nachtaktiv. Sie ernährt sich von kleinem Getier sowie von Vogel- und Reptilieneiern. Sie wird bis zu 20 Jahre alt, in Gefangenschaft noch einmal zehn Jahre älter - Eli Lilly schenkte dem Berliner Zoo einige der vom Aussterben bedrohten Prachtexemplare, denn das neue Medikament wurde in der deutschen Hauptstadt präsentiert.
Die Gila-Krustenechse erzeugt ihr Toxin in Unterkieferdrüsen. Dies wird nicht, wie üblicherweise bei Schlangen, durch Hohlzähne in das Opfer injiziert, sondern läuft entlang einer Kerbe in den Unterkieferzähnen. Nachdem sich die Echse in ihr Opfer verbissen hat, massiert sie das Gilt durch Kaubewegungen ein. Das Toxin besteht aus Gilatoxin sowie weiteren Glykoproteinen - eines davon ist Exendin 4, und dessen synthetische Variante Exenatid soll nun Diabetes 2 besonders wirkungsvoll bekämpfen.