Welche Gründe gibt es dafür, dass fast jedes dritte Kind in Deutschland durch Kaiserschnitt das Licht der Welt erblickt? Späte Schwangerschaften ab 35 und höher liegen voll im Trend und werden oft von gesundheitlichen Risiken begleitet. Große Babys mit einem Geburtsgewicht von mehr als 4.000 Gramm sind heute keine Seltenheit, da sie von Stoffwechselentgleisungen und Übergewicht der Mutter beeinflusst werden. Aus Angst vor Geburtsschmerzen, dem Verlust der sexuellen Erlebnisfähigkeit durch Dehnung des Geburtskanals oder vor Harn- und Stuhlinkontinenz aufgrund von Verletzungen des Beckenbodens entscheiden sich viele Frauen für den Wunschkaiserschnitt ohne medizinische Gründe. In Europa liegt die Rate der Kaiserschnitte durchschnittlich bei 20%. In einigen Gegenden Lateinamerikas werden 85% der Kinder durch eine Sectio entbunden. Der Eingriff gilt als Statussymbol.
1960 betrug hierzulande das Durchschnittsalter der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes 20 Jahre - heute liegt es bei 29 - 30 Jahren. Vielfach wird der Kinderwunsch in das mittlere Alter verschoben. Längere Ausbildungszeiten, der Wunsch nach beruflicher Praxis und der Vorsatz, die eigene Existenz zu festigen, um dem Nachwuchs etwas bieten zu können sowie die späte Bereitschaft zu einer festen Partnerschaft sind nur einige der Gründe für den Trend: Schwangerschaft ab 35. Die Rolle der modernen Frau hat sich grundlegend verändert. Sie lebt selbstbestimmt und weitgehend ohne finanzielle Abhängigkeit, sie löst eine unglückliche Beziehung und wünscht sich in einer neuen Verbindung mit diesem Partner ein gemeinsames Kind. Experten gehen weiterhin davon aus, dass der ideale Zeitpunkt für die Geburt des ersten Kindes zwischen Anfang bis Mitte 20 liegt, da die Fruchtbarkeit bereits ab 25 langsam abnimmt. Inzwischen aber verstummen besorgte Warnungen vor später Mutterschaft und die Gynäkologie hat sich längst darauf eingestellt, dass durch verbesserte Vorsorge, intensive Beratung und regelmäßige Kontrollen etwaige Risiken einer späten Schwangerschaft beherrschbar sind. Eine fitte normalgewichtige 38jährige ist einer 25jährigen mit Übergewicht und Zigarettenkonsum gesundheitlich überlegen. Dies beweist, dass jährlich rund 120.000 Frauen um die 40 Mutter werden. Sie haben im reiferen Alter den Vorteil, gelassen ihren Nachwuchs zu genießen und ihm Geborgenheit bieten zu können.
Zu den ältesten Eingriffen der Chirurgie zählt der Kaiserschnitt, kurz Sectio genannt. Plinius der Ältere (23 - 79 n. Christus) führte den Begriff auf Julius Caesar (100 - 44 v. Christus) zurück, der angeblich durch Kaiserschnitt zur Welt kam. Heute wird die Bezeichnung dem lateinischen Verb caedere = schneiden zugeordnet. Die Sectio gilt als risikoarmer Eingriff, der auf Wunsch der Mutter oder bei Gefahr für die Schwangere und das Kind durchgeführt wird. Ein primärer Kaiserschnitt bedeutet: Er wird vor Einsetzen der Wehentätigkeit an einem zuvor festgelegten Termin durchgeführt. Im Gegensatz dazu spricht man von einem sekundären Kaiserschnitt, wenn dieser unter der Geburt in Folge von Komplikationen erfolgt, die ein rasches Eingreifen erfordern. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO ist bei 15% der Geburten ein Kaiserschnitt aus medizinischen Gründen notwendig.
Erhöhter Blutdruck und erhöhte Blutzuckerwerte gehören zu den häufigsten Befunden. Blutdruckwerte über 140/90 sprechen für einen schwangerschaftsbedingten Hochdruck und sind ein deutliches Warnsignal. Regelmäßige ärztliche Kontrollen, eine sanfte Medikation und Stressabbau im privaten wie beruflichen Bereich wirken einer Störung der Plazenta-Funktion entgegen. Diese zeigt sich durch das Absinken der Durchblutung und kann zu einer Mangelernährung führen. Möglicherweise brauchen Schwangere mit hohem Blutdruck eher einen Mutterschutz, um sich weitgehend zu schonen.
In der Schwangerschaft wird zwei- bis dreimal mehr Insulin benötigt, um den Blutzuckerspiegel auf normales Niveau abzusenken. Bei rund 15% der Schwangeren wird dieser erhöhte Bedarf nicht mehr gedeckt und es liegt ein Gestations-Diabetes vor. Das Ungeborene ist automatisch einbezogen und stellt eine größere Menge an Insulin bereit. Hierdurch kommt es zu großen Säuglingen, die häufig nicht mehr auf natürlichem Wege entbunden werden können.
Angst um das Kind ist der häufigste Grund dafür, dass Schwangere einen Kaiserschnitt wünschen oder diesem zustimmen. „Weniger Risiken fürs Kind”, sagten Frauen in einer Studie der Gmünder Ersatzkasse (GEK) und sprachen von einem Vorteil der Schnittentbindung. Wird der Kaiserschnitt verharmlost? Schließlich handelt es sich um eine Bauch-OP und ist bei allem Fortschritt der modernen Medizin mit gewissen Risiken verbunden. Erwähnenswert ist, dass die höchsten Prämien für die Haftpflichtversicherung der Ärzte in der Geburtshilfe zu finden sind. Der operative Eingriff auf dem Weg zum Licht der Welt birgt auch Gefahren für das Baby. So leiden Neugeborene zwei- bis viermal so häufig unter Atemnot, wenn sie per Kaiserschnitt geholt wurden. Bei Babys, die auf natürliche Art zur Welt kommen, wird auf dem Weg durch den Geburtskanal das Fruchtwasser aus den Lungen gepresst. Und noch eines ist wichtig: Die Angst vor Schmerzen ist heute kein Argument mehr. Eine örtliche Betäubung (Periduralanästhesie) wirkt effektiv und schmerzstillend. Dabei kann die werdende Mutter die Geburt bewusst erleben. In Italien und Frankreich wird diese Methode bei 90% der natürlichen Geburten angewandt. Sie ist ein Teil der Geburtshilfe, die nach wie vor als ärztliche Kunst gilt.
Für die Ärztinnen und Ärzte des Berufsverbandes der Frauenärzte steht das Wohlergehen von Mutter und Kind zu jedem Zeitpunkt von Schwangerschaft und Geburt an erster Stelle und vielfach ist auch die Ermunterung zu einer natürlichen Geburt im Beratungsgespräch erfolgreich.