Sicher – bei jeder plötzlichen, akuten Erkrankung ist Eile geboten. Beim Schlaganfall aber kommt es auf die Minute an! Das war der Grundtenor eines Medien-Seminars an der Neurologischen Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten, südwestlich von Berlin gelegen. Die Schlaganfall-Experten Professor Dr. Jörg Wissel, Direktor und Chefarzt in der einmaligen Anlage Beelitz, sowie der Neurologe Dr. Jürgen Faiss informierten über den neuesten Stand der Forschung und Therapie.
In Deutschland werden jährlich etwa 200 000 Schlaganfälle registriert. Das Risiko steigt mit dem Alter, aber für junge Menschen und Kinder kann das kein Trost sein – auch sie sind bedroht. Der Gründe sind viele zu nennen: Bluthochdruck, Diabetes, Arteriosklerose, Gefäßmissbildungen, Herzfehler. Übrigens: Raucher sind siebenmal mehr gefährdet.
Die ersten Symptome sind, abgesehen von sofortigen Lähmungserscheinungen, vielfältig. Krämpfe etwa, sehr starker Kopfschmerz und Nackensteifheit, Schwindel und Sehstörungen. „Auch wenn eine Beeinträchtigung des Auges nur kurz und vorübergehend ist“, so Professor Dr. Wissel, „sollte unverzüglich gehandelt werden“. In der Praxis heißt das, den Notarzt oder die Feuerwehr zu alarmieren. Wie gesagt: Es kommt auf die Minute an, weil sich der Zustand der von einem Schlaganfall betroffenen Körperregionen in der Regel rapide verschlechtert. Die kritische Grenze liegt bei drei Stunden nach den ersten Symptomen – doch da kann es schon zu spät sein. Immerhin, so die jüngste Statistik, haben 50 Prozent der von einem Schlaganfall Betroffenen eine gute Chance auf Heilung, nur 20 Prozent der Schlaganfälle verlaufen tödlich.
Die Folgen eines Schlaganfalls sind vielfältig: Dystonie etwa liegt vor, wenn sich der Kopf unter großen Schmerzen zur Seite dreht, ohne dass der Erkrankte ihn wieder gerade richten kann. Die Muskeln sind außer Kontrolle geraten. Das kann sich auch auf die Augenlider auswirken, die sich kaum noch oder gar nicht mehr öffnen lassen, oder aufdie Finger, die sich so sehr verkrampfen, dass jegliches Schreiben oder das Ergreifen eines Glases unmöglich wird.
Die Fachleute in Beelitz, wo in der Neurologie 194 Behandlungsplätze in 25 Ein- und 84 Zweibettzimmern zur Verfügung stehen, haben mit Botulinumtoxin Typ A bemerkenswerte Erfolge bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten zu verzeichnen. Botulinumtoxin ist ein natürliches Eiweiß, das aus dem Bakterium Clostridium botulinum gewonnen wird. Die Geschichte des Botulinumtoxin begann 1817, als der schwäbische Landarzt Justinus Kerner darin ein mögliches Medikament vermutete. Aber erst 1980 wurde das wahr: Der amerikanische Augenarzt Dr. Alan Scott benutzte Botulinumtoxin zur Behandlung des Strabismus (Schielen).
Unter dem Handelsnamen Botox wurde Botulinumtoxin Typ A 1993 in Deutschland zugelassen. Es wird inzwischen in über 70 Ländern bei mehr als 20 Indikationen eingesetzt. Dieses Mittel wird in kleinen Dosen direkt in die geschädigten Muskeln gespritzt. Dort entspannt sich daraufhin der Muskel, und die unwillkürlichen Krampfzustände lassen sich stoppen. Die Wirkung von Botulinumtoxin hält allerdings nur drei bis sechs Monate an, weshalb für eine langfristige erfolgreiche Behandlungregelmäßige Injektionen notwendig sind.
Botox wird auch in der Schönheitschirurgie verwendet. Unter die Haut gespritzt, lässt es Falten verschwinden. Dieses Verfahren ist wegen der Kosten und Risiken umstritten.