Das Medizinunternehmen Retina Implant GmbH aus Reutlichen veröffentlichte seine Ergebnisse zur Pilotstudie zur Funktion aktiver mikroelektronischer Implantate im menschlichen Auge. Der weltweit agierende Hersteller strebt an funktionstüchtige subretinale Netzhautimplantate auf den Markt zu bringen. Ein subretinaler Chip wird direkt unter die Netzhaut implantiert, um dort abgestorbene Sehzellen zu ersetzen.
Die Sehzellen bestehen aus Zapfen und Stäbchen, welche bei gesunden Menschen Licht auf der Netzhaut in elektronische Signale umwanden. Die Sehzellen sind Photorezeptoren, die Impulse an das Hirn weiterleiten. Bei Netzhauterkrankungen, wie der erblichen Retinitis Pigmentosa, sterben diese Zellen langsam ab. Retinitis Pigmentosa äußert sich in einer schleichenden Einengung des Gesichtsfeldes, hin zum vollständigen Verlust des Augenlichts. Rund elf Prozent aller Blinden sind von dieser, bis jetzt unheilbaren, Krankheit betroffen. Bei diesen Patienten kann der Netzhaut-Chip, der sich immer noch im Forschungsstadium befindet, zum Einsatz kommen. Er übernimmt die Funktion der abgestorbenen Sehzellen und wandelt das Licht in elektronische Signale um. Sind die elektronischen Impulse erst einmal auf der Netzhaut, werden sie über die Seh-Nervenfasern an die Sehrinde des Gehirns weitergeleitet um dort die Seh-Wahrnehmung zu ermöglichen. Deshalb ist das Retina-Implantat nur für Patienten geeignet, bei denen die Sehnerven und die dazugehörigen Hirnregionen noch intakt sind.
Der kleine Netzhaut Chip besteht zum größten Teil aus Silizium , welches in vielen Studien bereits als sicher eingestuft werden konnte. Mit 70 ?m ist das Implantat etwa so dick wie ein menschliches Haar. Auf den insgesamt 3 mal 3 Millimetern befinden sich 1.500 Photozellen, samt Schaltkreisen für Verstärkung, Helligkeitsanpassung und Sicherheitsschaltung. An der Spitze sind 16 kleine Elektroden angebracht. Diese agieren als kleine Prüfzentren, welche gezielt Lichtwahrnehmungen auslösen und so die günstigste elektronische Einstellung für die Wahrnehmungsvermittlung herausfinden. Die rechte Hälfte des Implantats wird unter die Netzhaut gelegt, der linke Anteil ist etwas dicker und wird von außen auf den Augapfel genäht und mit der Bindehaut überzogen.
Geladen wurde der Chip in der Prüfzeit mit einem Netzteil zur externen Energieversorgung. Die Testpersonen konnten dieses Netzteil in der Größe eines mp3-Players mit einer Kette um den Hals tragen. Für ein vermarktungsfähiges Produkt ist eine drahtlose Energieversorgung über eine Spule unter der Haut vorgesehen.
Alle Studienteilnehmer konnten mit positiven Gefühlen auf die Studie zurückblicken. Die zuvor befürchteten Probleme mit Unverträglichkeit und ein Abstoßen des Chips von der Netzhaut ist nicht eingetreten. Es konnte ein Gesichtsfeld von 8 bis 12 Grad erreicht werden, was es ermöglicht, Gegenstände zu unterscheiden, Finger zu zählen und Gesichter zu erkennen.
Nach Ablauf der Studie wurden die Chips wieder entfernt. Ein Patient behielt den Chip auf eigene Verantwortung im Auge und trägt ihn seit über 16 Monaten beschwerdefrei. Eine zweite Implantation am selben Auge ist aufgrund des postoperativen Verlaufs nach der Explantation, höchstwahrscheinlich möglich.
Die Pilotstudie verlief äußerst erfolgreich. Verlaufen zukünftige Studien ebenfalls mit solch erfreulichen Ergebnissen, kann ein wichtiger Schritt in Richtung Heilung von retinalen Degenerationen getan werden. Das Implantat kann Patienten mit Retinitis Pigmentosa und Altersbedingter Makula-Degeneration ein Stück Lebensqualität zurückgeben.
Der Bedarf an einer Heilungsmöglichkeit von Retinitis Pigmentosa und Altersbedingter Makula-Degeneration ist groß – alleine in Deutschland sind etwa 33.000 Menschen von diesen Degenerationen betroffen. Jährlich erblinden weltweit rund 4.200 Menschen an diesen Krankheiten.