Irgendwie kann Gleichstellung auch problematisch sein. Das war bisher beispielsweise auf einem entscheidenden medizinischen Sektor der Fall, denn es gab nur die eine Version eines künstlichen Kniegelenks – gleiches Design für Mann wie Frau.
Und das war im Design, man glaubt es kaum, ausschließlich den männlichen Bedürfnissen angepasst. Es war so konstruiert, dass es dem männlichen Skelett gerecht wurde, wobei zugrunde gelegt war, dass ein Mann in der Lage sein muss, große Gewichte transportieren zu können. Sicher – es gab davon kleinere Kniegelenkversionen für Frauen, aber kein eigenes Design. „Dabei ist eine Frau doch nicht einfach nur ein kleinerer, zarterer Mann“, stellte dazuAnfang diesen Jahres Ray Elliott fest, Chef der amerikanischen Orthopädiefirma Zimmer Holdings.
Indirekt hatte er damit eine bis dahin geheim gehaltene Novität angekündigt, die jetzt von der zuständigen amerikanischen Zulassungsbehörde FDA- (Food and Drug Administration) – genehmigt wurde: Ein künstliches Kniegelenk speziell für weibliche Bedürfnisse.
Denn die Unterschiede zwischen einem männlichen und einem weiblichen Knie sind beträchtlich. Die neueste Medizinforschung nennt insgesamt 19 derartige Differenzen. So etwa ist der Oberschenkelknochen (Femur) an seinem Ende bei Frauen schmaler. Mehr noch: Er hat an seiner Verbindung zum Schienbein (Tibia) einen ganz anderen Winkel als beim Mann. Frauen schließlich sind in den Hüften breiter gebaut.
Eine Arthroplastik (Gelenkersatz) wird in der Regel erwogen, wenn eine Gonarthrose (Kniegelenkarthrose) diagnostiziert worden ist. Diese schmerzhafte Erkrankung des Kniegelenks wird durch den Verschleiß von Knochen- und Knorpelgewebe ausgelöst. Das kann altersbedingt sein. Andere Ursachen: Übergewicht, Diabetes oder auch Fehlstellungen wie X- und O-Beine.
„Es war bisher absolut keine Frage“, kommentiert der amerikanische Orthopädiespezialist Jan D. Wald, „dass Frauen nach Knietransplantationen weitaus mehr Probleme hatten als Männer.“ Ob die durch das neue Design behoben werden können?
„Ich glaube schon“, urteilt Dr. Robert Booth, Chef der orthopädischen Chirurgie am Pennsylvania Hospital in Philadelphia, „ Frauen werden sich mit dem speziell für sie entwickelten Kunstknie wohler fühlen und besser als bisher fungieren können. Sie dürften auch weniger Schmerzen haben, als das bisher der Fall war.“
Er hat – und das in diesen Wochen – in seinem Krankenhaus den ersten fünf Frauen die neuen Kniegelenke eingesetzt. Eine weitere Transplantation mit einem „Zimmer-Knie“ erfolgte in Salt Lake City, und erst kürzlich wurde eine derartige Operation auch im französischen Marseille vorgenommen.
Das Unternehmen Zimmer Holdings in Warsaw (US-Bundesstaat Indiana) nennt sein Frauenkniedesign „Gender Solution“, eine Lösung also für die unterschiedlichen Geschlechter. Das Zimmer-Entwicklungsteam plant bereits auch speziell für Frauen entwickelte künstliche Hüftgelenke.
Zimmer ist ein Unternehmen von Weltgeltung: Gegründet 1928, beschäftigt Zimmer heutzutage 3 200 Menschen, offeriert mehr als 8 000 Produkte und kommt auf ein Geschäftsvolumen von weit über einer Milliarde Dollar jährlich.