Ein Forscherteam der Universitäten von Jena und Potsdam konnte eine seit über 80 Jahren bestehende Hypothese über das Wachstum von Krebs des Medizin-Nobelpreisträgers Otto Warburg nun beweisen. Die Geschwindigkeit des Wachstums ist abhängig von Stoffwechselprozessen, die Energie bereitstellen. Diese Energie wird entweder aus der Vergärung von Zucker gewonnen oder aus der Verbrennung von Sauerstoff in den Mitochondrien. Warburg hat 1924 behauptet, dass Krebszellen zu viel Vergärung und zu wenig Verbrennung machen.
Diese “Warburg-Hypothese”, die die Umwandlung der Energiegewinnung von der Atmung zur Gärung stellt, wurde zu einem Mittelpunkt der Forschungen, die stets um den Sauerstoffverbrauch kreisten. “Die als Warburg-Hypothese bezeichnete Annahme ist ein Klassiker der medizinischen Grundlagenforschung und wurde trotz intensiver Anstrengungen nie überzeugend widerlegt, aber ebenso wenig bewiesen”, erklärt der Projektleiter und Studienautor Michael Ristow vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena http://www.mristow.org im pressetext-Interview. Die Forscher haben am Beispiel von Dickdarmkrebs das Oxidationsproblem von Tumorzellen beweisen können, berichten sie in der kommenden Ausgabe des Journal of Biological Chemistry. “Mit Hilfe des Proteins Frataxin haben wir die Krebszellen dazu gezwungen, mehr zu atmen, also oxidativen Stoffwechsel zu betreiben”, erklärt Ristow. Als “Werkzeug” haben die Forscher Frataxin verwendet, das mittels molekularbiologischer Techniken in den Mitochondrien eingesetzt wurde. “Das Ergebnis war erstaunlich”, so Ristow. Die Stoffwechselaktivitäten in den Krebszellen werden erhöht und die Zellen haben die Fähigkeit, bösartige Geschwulste in Versuchstieren zu bilden, verloren.
“Der Tumor hört im Prinzip auf zu wachsen, weil er gegen seinen Willen vermehrt Sauerstoff verbraucht”, fasst Ristow das Ergebnis zusammen. Damit haben die Forscher bewiesen, dass die Geschwindigkeit des Tumorwachstums von den Stoffwechselprozessen abhängig ist und dass dies erfolgreich beeinflusst werden kann. “Die geringere Wachstumsrate ist auf die fehlende Fähigkeit, die Mitochondrien zu nutzen, zurückzuführen”, meint der Wissenschaftler. Der Forscher hat mit seinem Team auch im Mäuseversuch die Warburg-Hypothese nachgewiesen, indem der oxidative Stoffwechsel in Leberzellen ausgeschaltet wurde. Daraufhin breiteten sich nicht nur Tumorzellen schneller aus, sondern auch anfänglich gesunde Zellen begannen, wie Tumore zu wachsen. Die Studie wurde im Fachmagazin Human Molecular Genetics veröffentlicht.
Jetzt wollen die Forscher damit beginnen, weitere pharmazeutisch wirksame Substanzen zu suchen, um den Stoffwechsel von Krebszellen zu erhöhen. Außerdem will Ristow erforschen, ob dieses Prinzip für alle Tumorarten gilt. Der Wissenschaftler betont, dass es allerdings noch mindestens fünf Jahre dauern werde, ehe bekannt sein wird, ob dieser Behandlungsansatz überhaupt auf Krebspatienten umzusetzen ist.