Für die repräsentative WIdO-Studie wurden Anfang 2005 rund 400 niedergelassene Gynäkologen zu ihrer Haltung zur Hormontherapie befragt. Danach sind rund 80 Prozent der befragten Frauenärzte davon überzeugt, dass die Risiken einer Hormonbehandlung in den Wechseljahren überbewertet werden. Und 43 Prozent sind der Meinung , dass in Deutschland gegenwärtig zu wenig Frauen eine Hormontherapie erhalten. „Ein nicht unerheblicher Teil der Gynäkologen hält eine Hormontherapie bei Indikationen für sinnvoll, für die es aber keinen ausreichenden wissenschaftlichen Beleg gibt“, erklärte der Sprecher der WIdO. So halten immer noch 36,2 Prozent der befragten Frauenärzte die Hormontherapie als Prävention gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen für sinnvoll und 37,2 Prozent zur Vorbeugung gegen Demenz. Die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse aus den Studien der letzten Jahre, dass Hormone solchen Erkrankungen nicht vorbeugen, bestätigen dagegen nur 34,9 bzw. 22,7 Prozent. 85,5 Prozent gehen offensichtlich davon aus, dass die Gabe von Hormonen depressive Verstimmungen verbessert. Studien haben diese Aussage widerlegt.
Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte (52,9 %) vertritt die Meinung, dass dem Alterungsprozess bei Frauen mit Hormonen entgegengewirkt werden sollte. Diese Haltung ist insbesondere bei älteren Gynäkologen ausgeprägt: 71,4 Prozent der über 60jährigen Ärzte sprechen sich in der Befragung für den Einsatz von Hormonen gegen das Altern aus. Bei den jüngeren Gynäkologen bis 45 Jahre sind es 35,5 Prozent. Prof. Dr. Norbert Schmacke, Leiter der Koordinierungsstelle Gesundheitsversorgungs-forschung der Uni Bremen und Mitautor der Studie, hält das Ergebnis für nicht verständlich. „Die Idee, Hormone seien ein ewiger Jungbrunnen, hat die Wissenschaft in mehreren Studien widerlegt. Sie bringen im Gegenteil erhebliche Risiken mit sich: Herzinfarkte und Schlaganfall.“
Dr. Bernhard Egger, Leiter des Stabsbereichs Medizin im AOK-Bundesverband, machte bei der Vorstellung der Studie deutlich, dass es neben dem innerärztlichen Diskussionsprozess jetzt auch darauf ankomme, die betroffenen Frauen selbst zu stärken. Frauen müssten zu kritischen Partnern der Ärzte werden. „Die Hormontherapie wird damit auch zu einem Prüfstein für Patientensouveränität.“
Die aktuelle Studie kann beim Wissenschaftlichen Institut der AOK direkt bestellt werden (Telefon: 0228 843-131; Telefax: 0228 843-144):
Klauber, J., Mühlbauer, B., Schmacke, N., Zawinell, A.: Wechseljahre in der Hormontherapie. Informationsquellen und ärztliche Einstellungen in der Praxis. Bonn 2005, 100 Seiten, Preis 12,00 Euro, ISBN: 3-922093-37-X