Mit einem Anteil von fast 28% zeigte das Mammakarzinom die höchste Inzidenz der bei Frauen neu diagnostizierten Krebserkrankungen. Und auch in der Mortalitätsstatistik rangiert diese Tumorentität an erster Stelle: fast 18 % aller bei Frauen registrierten Krebstodesfälle gingen auf ein Mammakarzinom zurück.
Wie bei den meisten bösartigen Tumoren ist auch beim Mammakarzinom das Lebensalter der wichtigste Risikofaktor. Ein deutlich erhöhtes Krankheitsrisiko haben außerdem Frauen mit familiärer Belastung. Besonders gefährdet sind außerdem Frauen mit einem Mammakarzinom in der Vorgeschichte; diese Patientinnen erkranken später häufig an einem weiteren primären Mammakarzinom in der anderen Brust (RKI, 2008). Als vergleichsweise schwächere Risikofaktoren gelten so genannte reproduktive Faktoren, wie eine frühe Menarche und späte Menopause, keine Schwangerschaft oder späte Geburt des ersten Kindes; außerdem externe Faktoren, zum Beispiel regelmäßiger Alkoholkonsum, Übergewicht und eine Hormonersatztherapie in der Postmenopause (RKI, 2008).
Noch immer werden die meisten Mammakarzinome von den erkrankten Frauen selbst entdeckt: Sichtbare Verformungen der Brust, Hautveränderungen an der Brustwarze oder tastbare Knoten können erste Hinweise auf ein Mammakarzinom sein. Die monatliche Selbstuntersuchung der Brust ist daher auch bei Teilnahme am Mammographie-Screening und regelmäßigen ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen eine der wichtigsten Methoden zur Früherkennung. Unklare Befunde werden heute zunächst nach der Mammographie mit der (Doppler)sonographie abgeklärt; dabei kann auch recht genau zwischen Zysten und soliden Tumoren unterschieden werden. Endgültig abklären lässt sich die Verdachtsdiagnose Mammakarzinom allerdings erst durch eine Biopsie und die histologische Untersuchung der entnommenen Gewebeprobe.
Etwa 60 bis 80% der Patientinnen mit primärem Mammakarzinom werden heute Brust erhaltend operiert. Neben Frauen mit kleineren Tumoren kommt dieses Verfahren auch für Patientinnen mit primär größeren Tumoren in Frage, wenn die Tumormasse durch eine neoadjuvante (präoperative) Therapie angemessen verkleinert werden kann. Obligatorisch bei Brust erhaltender Operation ist eine Entfernung der axillären Lymphknoten - bei kleinem Primärtumor gegebenenfalls als Sentinel-Lymphknoten-Biopsie - sowie bei Brust erhaltender Operation eine anschließende Strahlentherapie zur Kontrolle von Lokalrezidiven. Aufgrund der beim Mammakarzinom meist frühzeitig einsetzenden Metastasierung wird den meisten Patientinnen zusätzlich eine systemische Therapie empfohlen.
Falls die Frau die notwendige Strahlentherapie ablehnt oder morphologische Aspekte eine Brust erhaltende Operation ausschließen wird in den meisten Fällen eine modifizierte radikale Mastektomie mit Entfernung der axillären Lymphknoten durchgeführt.
Die mit einer Brustamputation verbundenen psychischen Belastungen können erfahrungsgemäß durch eine Rekonstruktion der Brust verringert werden. Die Entscheidung für oder gegen diese Operation kann aber letztlich nur die betroffene Patientin selbst treffen, ebenso wie den Zeitpunkt der Rekonstruktion. Dabei spielt es weder für den Verlauf der Tumorerkrankung noch für die Brustrekonstruktion eine Rolle, ob diese Operation unmittelbar nach der Mastektomie (primäre Rekonstruktion) oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (sekundäre Rekonstruktion), zum Beispiel nach Abschluss der Radiotherapie oder einer adjuvanten systemischen Therapie.
Über 50% aller Mammakarzinome sind hormonsensitiv, bei Patientinnen in der Postmenopause weisen sogar mehr als 80% der Tumoren Östrogen- und/oder Progesteronrezeptoren auf. Bei diesen Tumoren wird die Zellproliferation durch Östradiol stimuliert, das damit als wichtiger Wachstumsfaktor fungiert.
Entsprechend erfolgreich ist beim hormonsensitiven Mammakarzinom die gezielte Hemmung der Östradiolwirkungen mit endokrin wirksamen Medikamenten. Seit Einführung des ersten Antiöstrogens Tamoxifen Anfang der 70-er Jahre konnten durch antihormonelle Therapieregime weltweit mehr als 400.000 Frauenleben gerettet werden. Zusätzlich profitierten unzählige Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom von einer Verlängerung der Überlebensdauer bei gleichzeitig sehr guter Verträglichkeit und Lebensqualität.
Gerade in der palliativen Situation werden Mammakarzinome unter einer endokrinen Therapie zum Teil relativ schnell progredient - bei gleichzeitig allerdings meist recht lang erhaltener Östrogensensitivität. Damit sprechen diese Tumoren auch in nachfolgenden Therapielinien gut auf antihormonelle Therapieregime an, sofern diese keine Kreuzresistenz aufweisen. Für die betroffenen Patientinnen bedeutet dies, dass ihnen die toxischen Nebenwirkungen einer konventionellen Chemotherapie um so länger erspart werden können, je mehr Substanzen mit unterschiedlichem Wirkungsmechanismus zur Verfügung stehen.
Durch die Markteinführung von Faslodex®, dem ersten Vertreter der neuartigen Wirkstoffgruppe der reinen Antiöstrogene, konnte im März 2004 die endokrine Therapie um eine zusätzliche Therapieoption erweitert werden. Die folgende Animation gibt einen Überblick über die wesentlichen Wirkstoffgruppen, die derzeit für die zielgerichtete Therapie des rezeptorpositiven Mammakarzinoms zur Verfügung stehen:
Aromatasehemmer richten sich gegen die in der Postmenopause vorherrschende Östradiol-Biosynthese im peripheren Gewebe, indem sie in die Aromatase-katalysierte Umwandlung von Androstendion zu Östrogenen eingreifen. Der Aromatasehemmer der 3. Generation Arimidex® (Anastrozol) senkt die Spiegel der zirkulierenden Östrogene um mehr als 80% (Buzdar, Cancer 2007). Beim metastasierten Mammakarzinom in der Postmenopause haben Aromatasehemmer den früheren Goldstandard Tamoxifen schon vor einigen Jahren abgelöst. Auch in der adjuvanten Therapie des frühen Mammakarzinoms wird Tamoxifen zunehmend von den Aromatasehemmern verdrängt. Die aktuellen Therapieempfehlungen von St. Gallen 2007 plädieren für die Umstellung von hormonrezeptorpositiven postmenopausalen Tamoxifenpatientinnen auf einen Aromatasehemmer wie Arimidex® nach 2- 3 Jahren (Goldhirsch et al., Ann Oncol, 2007). Gestützt wird diese Empfehlung durch die Ergebnisse einiger Switch-Studien wie der ARNO95-Studie, die in einer aktuellen Auswertung einen signifikanten Überlebensvorteil für die Umstellung auf Arimidex® gegenüber der Fortführung der Tamoxifen-Therapie belegen konnte (Kaufmann et al., JCO 2007).
Tamoxifen: Der selektive Östrogenrezeptor-Modulator (SERM), der über mehr als 30 Jahre sowohl beim metastasierten Mammakarzinom als auch bei nicht fortgeschrittenen Tumorstadien an erster Stelle der Therapieoptionen stand, wird heute bei postmenopausalen Patientinnen immer häufiger erst in späteren Therapielinien eingesetzt. Dies lässt sich zum einen durch die im Vergleich zu Aromatasehemmern schwächere antitumorale Wirksamkeit von Tamoxifen erklären, auf der anderen Seite spricht die insgesamt schlechtere Verträglichkeit für einen späteren Einsatz von Tamoxifen, zumal auch die Inzidenz schwerer, lebensbedrohlicher Nebenwirkungen, wie Thromboembolien und Endometriumkarzinomen in der ATAC-Studie im Vergleich zu Anastrozol erhöht war. Als eine der wichtigsten Ursachen für die Entwicklung von Resistenzen gegen Tamoxifen, aber auch für die Entstehung von Endometriumkarzinomen, gilt die Östrogen-agonistische Restaktivität von Tamoxifen.
Fulvestrant: Faslodex® ist der erste Vertreter der Östrogenrezeptor-Antagonisten ohne östrogen-agonistische Restaktivität. Das “reine” Antiöstrogen zeigt keine Kreuzresistenz gegenüber Aromatasehemmern und ist auch bei Mammakarzinomen wirksam, die unter Tamoxifen progredient sind. Faslodex® wurde daher zur Behandlung von postmenopausalen Patientinnen mit rezeptorpositivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom zugelassen, bei denen während oder nach adjuvanter Antiöstrogen-Therapie ein Rezidiv diagnostiziert wurde oder das Mammakarzinom unter der Antiöstrogen-Behandlung progredient war.
Gestagene werden aufgrund ihres ungünstigeren Nebenwirkungsprofils (Flüssigkeitsretention, arterielle Hypertonie, Muskelkrämpfe, Tremor, Müdigkeit) und der bestehenden Kontraindikationen bei einer vergleichsweise schwächeren Wirksamkeit heute meist nur noch in den späten Therapielinien eingesetzt
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