Wir befrugen zu diesem immer wichtiger werdenden Thema Prof. Dr. Katsarava von der Neurologischen Uniklinik in Essen, was bei der Selbstmedikation zu beachten ist.
Dr. Katsarava: Wenn richtig praktiziert, kann die Selbstmedikation ein effektiver Schritt in der Akuttherapie der Migräne bzw. des Spannungskopfschmerzes sein. Ein Aspekt von zunehmender Bedeutung ist dabei auch, dass die Selbstmedikation kostengünstig ist.
Dr. Katsarava: Wir untersuchen in einer großen bevölkerungsrepräsentativen Beobachtungsstudie die Risiken und Mechanismen der Kopfschmerzchronifizierung.
Dr. Katsarava: In der Studie wurden im ersten Schritt 18.000 Personen in drei Regimen der BRD angeschrieben: 6.000 in Essen (Großstadt), 6.000 in Münster (mittelgroße Stadt) und 6.000 im Landkreis Sigmaringen. Die Personen wurden zu ihren Kopfschmerzen sowie zur Einnahme der spezifischen Kopfschmerzmedikation aber auch anderen Medikamenten befragt. Nach einem Jahr erfolgt eine Nachuntersuchung. Ziel hierbei ist festzustellen, wie viele Personen chronische Kopfschmerzen entwickeln, um dann die Risiken der Kopfschmerzchronifizierung zu ermitteln.
Dr. Katsarava: Die Inzidenz der Kopfschmerzchronifizierung liegt in der populationsbasierten Stichprobe bei cirka zwei Prozent pro Jahr. Schmerzmittelmissbrauch, also die zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln, ist der wichtigste Risikofaktor für die Chronifizierung von Kopfschmerzen. Zudem scheint es, dass die Patienten, die zwei oder mehr Substanzen gleichzeitig einnehmen, ein höheres Risiko haben, chronische Kopfschmerzen zu entwickeln. Es ist aber nicht klar, ob dies dadurch bedingt ist, dass diese Menschen einfach ein unkontrolliertes Verhalten mit Medikamenten haben oder ob dies ein pharmakologischer Effekt ist.
Dr. Katsarava: Acetylsalicylsäure (Aspirin) ist das am meisten genutzte Medikament, das sowohl bei Migräne als auch beim Spannungskopfschmerz gut wirkt.
Dr. Katsarava: Grundsätzlich ist die Unterdosierung einer der häufigsten „Fehler”, den die Patienten machen. Sie nehmen nicht - wie von den Fachgesellschaften empfohlen - die volle Dosis auf einmal und so früh wie möglich. Eine Behandlung in einer unzureichenden Dosierung hat aber eine deutlich schlechtere Wirkung, als wenn das gleiche Medikament in der vollen Dosis eingenommen wird.
Dr. Katsarava: Die Risiken der Überdosierung liegen in den Nebenwirkungen und vor allem bei der Schmerzchronifizierung beim Medikamentenmissbrauch - der Entwicklung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung leiden weltweit unter chronischen Kopfschmerzen, davon beruht cirka die Hälfte auf einem Schmerzmittelübergebrauch. Werden Schmerzmittel zu häufig eingenommen, kommt es zu dem paradoxen Effekt, dass die Patienten mehr Schmerzen empfinden als vorher. Dies führt wiederum dazu, dass die Patienten noch mehr Schmerzmittel einnehmen. Dadurch entsteht ein “Teufelskreis”, der Dauerkopfschmerzen bewirkt.
Dr. Katsarava: Meines Erachtens sollte die Behandlung von Kopfschmerzen mit einem Arzt abgesprochen werden. Die Selbstmedikation hat jedoch einen hohen Stellenwert. Es gibt Hochrechnungen darüber, wie viele Menschen an Kopfschmerzen leiden und wie viele Ärzte tatsächlich zur Verfügung stehen. Das Zahlenverhältnis zeigt, dass eine Rücksprache nicht einmal für alle Migränepatienten machbar ist. Daher ist die Selbstmedikation sinnvoll. Im Idealfall sollte sie aber in gewissen Abständen mit einem Arzt abgestimmt werden.
Dr. Katsarava: Um diese Frage beantworten zu können, benötigt man langfristige prospektive Studien, bei denen regelmäßig Daten der Studienpopulation über einen längeren Zeitraum hinweg erhoben werden. Die Frage, ob die Kombinationsanalgetika ein höheres Risiko der Kopfschmerzchronifizierung mit sich bringen, ist ein wichtiger Gegenstand unserer eigenen Studie. Die endgültige Auswertung steht noch aus. Folgendes aber ist belegt: Patienten mit einem Kombinationsanalgetika-induzierten Kopfschmerz sind deutlich schwerer zu entziehen und haben deutlich höhere Rückfallraten als Patienten mit Monopräparaten. Ich persönlich rate den Patienten zu einer Therapie mit Monopräparaten.
Weitere Informationen unter www.aspirin.de