Mit fortschreitendem Alter unterliegen Reaktionsvermögen, Wahrnehmung und körperliche Verfassung nicht selten unbewussten Wandlungen. Erkrankungen wie Schlaganfälle, beginnende Demenz oder Sehstörungen können die Fahrtüchtigkeit stark beeinträchtigen. Wann ist es also Zeit, das Steuer abzugeben, und wie können Angehörige oder Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen, die Fahrtauglichkeit im Alter objektiv zu beurteilen?
In Deutschland besitzt eine stetig wachsende Zahl von Menschen über 65 Jahren einen Führerschein. Zwar fahren viele Seniorinnen und Senioren jahrzehntelang unfallfrei, und das allgemeine Unfallrisiko ist im Vergleich zu jungen Fahrern geringer, doch ab etwa 75 Jahren steigt das Risiko, einen Unfall selbst zu verschulden, deutlich an.
Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) waren Autofahrende ab 65 Jahren im Jahr 2023 bei mehr als zwei Dritteln (68,1 Prozent) aller Unfälle mit Personenschaden, an denen sie beteiligt waren, die Hauptverursachenden 1. Bei den unter 65-Jährigen lag dieser Anteil bei etwa 55 Prozent. Die Ursachen sind weniger Übermut als vielmehr altersbedingte Veränderungen: Dazu zählen eine nachlassende Reaktionsgeschwindigkeit, Einschränkungen beim Sehen oder Hören sowie chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder neurologische Leiden.
Gerade nach einem Schlaganfall können Konzentration, Koordination und Wahrnehmung beeinträchtigt sein, auch wenn sich die Betroffenen subjektiv fit fühlen. Auch eine beginnende Demenz kann das Erkennen von Verkehrssituationen und das Treffen schneller Entscheidungen erschweren.
Die Fahrtauglichkeit ist in Deutschland keine Frage des Alters, sondern der individuellen Eignung. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebenen, regelmäßigen Tests für Senioren. Die rechtliche Grundlage für die Beurteilung der Fahreignung bildet die Begutachtungsleitlinie zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) 2.
Diese Leitlinie legt detailliert fest, wann gesundheitliche Einschränkungen (z. B. nach Schlaganfall, bei Demenz, schweren Sehstörungen oder Diabetes) das Autofahren ausschließen oder eine Fahrpause erfordern. Ärztinnen und Ärzte können auf Grundlage dieser Leitlinie eine individuelle Einschätzung abgeben. Eine ärztliche oder psychologische Untersuchung ist besonders nach neurologischen Erkrankungen sinnvoll und kann helfen, die Kraftfahreignung objektiv zu klären.
| Einschränkung | Mögliche Folge für die Fahrtauglichkeit | Empfohlene Maßnahme |
|---|---|---|
| Nachlassendes Sehvermögen | Übersehen von Verkehrszeichen, schlechtes Fahren bei Nacht | Sehtest beim Augenarzt, ggf. Anpassung der Brille |
| Verlangsamte Reaktion | Längere Bremswege, Schwierigkeiten in komplexen Verkehrssituationen | Freiwilliger Fahrtauglichkeitstest (z.B. Fahr-Fitness-Check) |
| Kognitive Defizite (Demenz) | Orientierungslosigkeit, Fehlentscheidungen, Missachtung von Regeln | Ärztliches Gutachten, ggf. Verzicht auf den Führerschein |
| Eingeschränkte Beweglichkeit | Schwierigkeiten beim Schulterblick, langsames Bedienen der Pedale | Anpassung des Fahrzeugs (z.B. Automatik, Lenkhilfe), Fahrberatung |
| Medikamenteneinnahme | Müdigkeit, Schwindel, Beeinträchtigung der Konzentration | Überprüfung der Medikamente durch den Hausarzt, Umstellung der Einnahmezeiten |
Für ältere Menschen bietet ein freiwilliger Fahrtauglichkeitstest objektive Sicherheit – für sich selbst und für andere. Diese Tests sind in der Regel nicht meldepflichtig und dienen der neutralen Standortbestimmung. Sie erfassen:
•Reaktionsvermögen und Konzentration •Seh- und Hörleistung •Beweglichkeit und Koordination •Wahrnehmung von Verkehrssituationen
Ein bekanntes Angebot ist der ADAC Fahr-Fitness-Check 3. Hierbei fährt man mit dem eigenen Auto und einem neutralen Fahrlehrer eine gewohnte Strecke ab. Im Anschluss erhält man ein persönliches Feedback und Empfehlungen, ohne dass die Führerscheinstelle informiert wird. Ähnliche Angebote gibt es auch bei TÜV/Dekra-Stellen.
Zweifelsfrei ist es für die meisten Familien ein sensibles Thema, den Führerschein des geliebten Elternteils infrage zu stellen. Wichtig ist, empathisch und respektvoll zu bleiben. Statt eines Verbots kann der Vorschlag einer unabhängigen Fahrberatung oder eines Fahr-Fitness-Checks eine Brücke zwischen Sicherheit und Selbstbestimmung schlagen.
Hilfreich kann auch ein gemeinsamer, vertrauensvoller Termin beim Hausarzt sein, um die medizinische Perspektive neutral zu beleuchten. Das Ziel sollte immer sein, die Mobilität so lange wie möglich sicher zu erhalten und alternative Lösungen (z. B. ÖPNV, Fahrdienste) frühzeitig zu planen, falls das Autofahren nicht mehr möglich ist.
Autofahren bedeutet Freiheit, aber auch Verantwortung. Eine ehrliche Selbsteinschätzung, medizinische Beratung und gegebenenfalls ein freiwilliger Fahrtauglichkeitstest können helfen, Unfälle zu vermeiden und Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Verantwortung zeigen heißt, rechtzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen.
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