Schon der Begriff “für das Leben” ist ein Kunstwort und die damit beschriebenen Bakterien- und/oder Hefe-Mikroorganismen sind, glaubt man allen Herstellern und Vertreibern der nicht rezeptpflichten Mittel das Non-plus-ultra für einen gesunden Darm. Kunstwort und die in diesem Zusammenhang häufig auftretende Bezeichnung Darmflora gehen dabei gerne Hand in Hand. Prof. Gessner, Mikrobiologe aus Regensburg erklärt dazu: “Der Begriff Darmflora ist falsch, denn im Darm finden sich keine Pflanzen. Der korrekte Ausdruck ist Darm-Mikrobiom”.
Damit die Darmgesundheit keinen Schaden nimmt, wie beispielsweise nach einer Behandlung mit Antibiotika, muss der sich dort sammelnde Müll regelmässig entsorgt werden, damit das Immunsystem wieder einwandfrei funktionieren kann! Ja, wenn es denn nur so einfach wäre - ist es aber leider nicht. Zwar gibt es unzählige Studien zu den ebenso unzähligen Baktierenstämmen, doch die meisten halten einer wissenschaftlichen Prüfung kaum stand. Umso mehr horcht man auf, wenn zu diesem Thema mal nicht “nur” ein oder gleich mehrere neue Produkte (wie z.B. die vier ab November erhältlichen Probielle-Balance, -Reizdarm,-Immun und -ADD von Stada), sondern tatsächlich eine breit angelegte Studie, publiziert im hochansehenen CELL-Journal, das Interesse zu wecken vermag.
Das Weizmann Institute of Science aus Israel hat dazu im September 2018 die nachstehende (auszugsweise und gekürzt wiedergegebene) Pressemeldung veröffentlicht: “Täglich nehmen Millionen von Menschen Probiotika …mit lebenden Bakterien ein, um ihr Immunsystem zu stärken, Krankheiten vorzubeugen oder die Nebenwirkungen von Antibiotika reparieren zu können. Doch die Vorteile von Probiotika sind medizinisch nicht wirklich belegt. Es ist nicht einmal klar, ob probiotische Bakterien den Verdauungstrakt wirklich besiedeln oder, wenn ja, welche Auswirkungen sie auf den Menschen und seine Mikrobiome - die nativen Bakterien in seinem Darm - haben. Forscher des Weizmann Institute of Science zeigen in Studien, sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen, dass eine probiotische Präparation von 11 Stämmen der am weitesten verbreiteten probiotischen Familien manchmal weniger nützlich für den Anwender und sein Darm-Mikrobiom sein können.
Von 25 menschlichen Probanden wählte man fünfzehn Freiwillige aus und unterteilte sie in zwei Gruppen: Der ersten Gruppe wurde ein 11-stämmiges probiotisches Präparat verabreicht, die zweite erhielt Placebopillen. Nach drei Wochen der insgesamt vierwöchigen Behandlung wurden alle Teilnehmer einer erneuten Endoskopie und Koloskopie unterzogen, um das Ansprechen auf die Probiotika oder das Placebo zu beurteilen. Anschließend wurden die Studienteilnehmer für weitere zwei Monate beobachtet.
Keineswegs darf man als Studienerkenntnis die Devise “eines für alle” ausgeben, denn “…unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Probiotika nicht universell … abgegeben werden sollten…”, erklärte dazu Professor Elina vom Weizmann-Institut. “Stattdessen müsste die Abgabe der Probiotika auf jeden Einzelnen und dessen besondere Bedürfnisse zugeschnitten werden…”.
In der zweiten Studie gingen die Forscher auf die Frage ein, ob es sinnvoll ist Probiotika einzunehmen, um der Wirkung von Antibiotika entgegenzuwirken. Dazu verabreichten die Forscher 21 Probanden ein Breitband-Antibiotikum, unterzogen sie dann einer Endoskopie und einer Koloskopie, um so die Veränderungen am Darm und seinem Mikrobiom nach der Antibiotikabehandlung beobachten zu können.
Die Probiotika konnten den menschlichen Darm leicht besiedeln - mehr noch als in der vorherigen Studie, in der keine Antibiotika gegeben wurden. Zur Überraschung des Teams verhinderte die probiotische Darmbesiedelung, dass sowohl die Genexprimierung des Wirtsdarms als auch das Mikrobiom für Monate danach zu ihren normalen präantibiotischen Konfigurationen zurückkehrten… Und so Prof. Elinav, “diese Ergebnisse zeigen eine neue und potenziell alarmierende Nebenwirkung des probiotischen Konsums…, die sogar langfristige Folgen haben könnte…”.
Da Probiotika zu den weltweit am häufigsten gehandelten rezeptfreien Nahrungsergänzungsmitteln zählen könnten die Studien-Ergebnisse aus Israel durchaus unmittelbare und umfassende Auswirkungen haben. Denn entgegen dem gängigen Dogma, dass Probiotika harmlos sind und allen zugute kommen, zeigte sich, dass die Einnahme von Probiotika auch nicht erwünschte Effekte nach sich ziehen kann.
Probiotika
Präbiotika
Darmsanierung
Antibiotika