Bewegungsmangel am Arbeitsplatz: Eine unterschätzte Gesundheitsgefahr
Studien, die in der renommierten Fachzeitschrift JAMA erscheinen, genießen weltweit hohe wissenschaftliche Anerkennung. Umso alarmierender ist das Ergebnis einer im Jahr 2024 veröffentlichten Kohortenstudie, die Daten von fast 500.000 Personen analysierte: Wer im Beruf überwiegend sitzt, hat ein um 16 % erhöhtes Risiko, frühzeitig zu sterben.
Bewegungsmangel im Job: Alltagsgefahr mit gravierenden Folgen
Zahlreiche aktuelle Studien bestätigen, dass eine sitzende Tätigkeit im Berufsalltag ernsthafte gesundheitliche Risiken birgt. Die sitzende Lebensweise hat in modernen Gesellschaften stark zugenommen – vor allem in Büro- und Bildschirmberufen, in denen langes Sitzen oft unvermeidlich scheint. Dabei ist längst bekannt, dass Dauer-Sitzen massive gesundheitliche Folgen hat.
Bereits 2020 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klare Empfehlungen, die auf eine deutliche Reduktion sitzender Tätigkeiten hinweisen. Vergleichbare Leitlinien gibt es in den USA (seit 2018) und im Vereinigten Königreich (seit 2019). Übereinstimmend warnen diese vor den negativen Auswirkungen langen Sitzens – insbesondere im Beruf.
Frühere Studien zeigten bereits, dass körperliche Aktivität in der Freizeit die Risiken durch langes Sitzen teilweise kompensieren kann. Die neue Studie liefert nun konkrete Daten dazu.
In der aktuellen Studie aus Taiwan wurden 481.688 Erwachsene ohne bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankungen über einen Zeitraum von rund 12 Jahren (1996–2017) beobachtet. Das Ergebnis: Langes Sitzen im Beruf erhöht das Sterberisiko signifikant.
Kernergebnisse der Studie:
- Je länger die tägliche Sitzzeit, desto höher das Sterblichkeitsrisiko.
- Schon 30 Minuten moderate Bewegung pro Tag können das Risiko deutlich senken.
- Der sogenannte Personalized Activity Intelligence (PAI) Score, der auf der Herzfrequenz basiert, zeigt: Ein Wert von ≥100 PAI geht mit 26 % geringerer Gesamtsterblichkeit einher – nicht nur Dauer, auch Intensität der Bewegung zählt.
Die unsichtbaren Folgen des Sitzens: Krankheiten mit Ansage
Neben einem erhöhten Sterberisiko ist langes Sitzen mit zahlreichen Krankheiten assoziiert:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt.
- Durchblutungsstörungen: Bereits eine Stunde Sitzen kann die Gefäßfunktionen in den Beinen um bis zu 50 % reduzieren.
- Diabetes Typ 2: Das Risiko steigt um bis zu 90 %.
- Krebserkrankungen: Rund 10 % aller Darm- und Brustkrebsfälle sind mit Bewegungsmangel verknüpft.
- Muskuloskelettale Beschwerden: Rückenschmerzen, Verspannungen, Haltungsschäden.
- Demenzrisiko: Auch das Gehirn leidet unter Inaktivität.
- Übergewicht und Adipositas: Der Stoffwechsel verlangsamt sich, Fett wird leichter gespeichert.
- Psychische Erkrankungen: Bewegungsmangel begünstigt Depressionen und Burnout.
Sitzen ruiniert deinen Stoffwechsel
Kohlenhydratstoffwechsel
- Insulinresistenz: Schon wenige Stunden Sitzen senken die Insulinsensitivität der Muskeln – der Blutzuckerspiegel steigt.
- Postprandiale Hyperglykämie: Nach dem Essen bleibt der Blutzucker länger erhöht – ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes.
Fettstoffwechsel
- Sinkende Lipoproteinlipase-Aktivität: Dieses Enzym ist essenziell für den Fettabbau – und fällt bei Inaktivität rapide ab.
- Erhöhte Triglyzeride im Blut: Fette werden langsamer verarbeitet und reichern sich im Blut an.
- Reduzierte Lipolyse: Der Fettabbau verlangsamt sich – der Körper speichert mehr.
Proteinumsatz
- Verminderte Proteinsynthese: Ohne Muskelaktivität wird kaum neues Muskelgewebe aufgebaut.
- Beginnender Muskelschwund: Schon bei stundenlangem Sitzen kann es – vor allem bei älteren Menschen – zu Muskelabbau kommen.
Was Sie konkret tun können – und warum Arbeitgeber in der Pflicht sind
Angesichts der gravierenden Folgen ist es unerlässlich, dem Bewegungsmangel aktiv entgegenzuwirken – sowohl individuell als auch organisatorisch:
- Regelmäßige Unterbrechungen der Sitzzeit: Mindestens zwei bis vier Haltungswechsel pro Stunde.
- Kleine Bewegungspausen: Spaziergänge, Stretching oder Mini-Workouts lockern Muskeln und regen den Kreislauf an.
- Dynamisches Arbeiten fördern: Höhenverstellbare Schreibtische ermöglichen den Wechsel zwischen Sitzen und Stehen.
- Ergonomischer Arbeitsplatz: Korrekte Bildschirmhöhe, passende Bürostühle und flexible Möbel helfen Beschwerden zu vermeiden.
- Bewegung in der Freizeit: WHO-Empfehlung: 150–300 Minuten moderate oder 75–150 Minuten intensive Bewegung pro Woche.
- Aufklärung im Unternehmen: Arbeitgeber sollten gezielt informieren, motivieren und Bewusstsein schaffen.
- Betriebliche Gesundheitsförderung: Angebote wie Rückenschulungen, Sportkurse oder Bewegungs-Challenges im Büroumfeld.
Weiterführende Studien & Quellen
- Deutsche sitzen im Durchschnitt 9,2 Stunden pro Werktag – Uni Würzburg
- Wer täglich mehr als 11 Stunden sitzt, hat ein um 40 % erhöhtes Sterberisiko innerhalb von drei Jahren AOK
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