Regelrechte Krimis ranken sich um die Schlafpille Ambien mit dem Wirkstoff Zolpidem quadrat, die es – rezeptpflichtig – auch in Deutschland gibt, wenn auch unter anderen Namen. Da etwa ist der Fall einer Krankenschwester aus der Umgebung von Denver. Sie hatte vor dem Schlafengehen eine Ambien aus dem Hause Sanofi-Aventis genommen und kann sich an das, was in der Nacht folgte, überhaupt nicht erinnern: Nur mit einem Nachthemd bekleidet setzte sie sich bei minus sieben Grad an das Steuer ihres Wagens und fuhr los. Sie rammte ein geparktes Auto, stieg an einer Straßenkreuzung aus, um zu urinieren, und von Nachbarn herbeigerufene Polizisten attackierte sie auch noch. Sie kam mit einer geringfügigen Strafe davon, denn ihr Anwalt – Lloyd Boyer – fand vor Gericht Gehör mit dem Hinweis auf die Einnahme von Ambien.
Das ist absolut kein Einzelfall, wie der „New York Times“ zu entnehmen ist, in der es auch heißt: „Ambien, Amerikas meistgekaufte verschreibungspflichtige Schlaftablette, ist in steigendem Maße der Anlass für Verkehrsdelikte, denn Verkehrssünder werden dabei ertappt, dass sie am Steuer von Autos schlafwandeln und sich danach an nichts erinnern können“.
Ein anderer alarmierender Fall: Wayne Cribb ist Staatsangestellter – in deutschem Sinne ein Beamter – in Rock Hill/South Carolina. Er wachte eines Morgens in einer Gefängniszelle auf , um mit der Tatsache konfrontiert zu werden, er habe in der Nacht – nach Einnahme einer Ambien – ein geparktes Auto gerammt, bevor er an einem Straßenbaum landete. Das Verfahren gegen ihn ist noch anhängig.
Ambien ist in Deutschland unter dem (Original)Namen Bikalm bekannt (Hersteller: Altana), wird aber auch in preiswerteren Versionen (Generika) angeboten. n Tabletten (10mg) kosten um die zwölf Euro. In den USA wurden allein im letzten Jahr 26,5 Millionen Rezepte für Ambien ausgestellt. Die entsprechenden Verkäufe hatten ein Volumen von 2,2 Milliarden Dollar!
In einigen toxikologischen US-Labors zählt Ambien zu den zehn häufigsten Drogen, die zu Verkehrsunfällen geführt haben. Allein im US-Bundesstaat Washington wurden im vergangenen Jahr 78 Kraftfahrer verhaftet, denen wegen Ambien-Einnahme schwere Verkehrsverstöße nachgewiesen werden konnten – im Jahr davor lag diese Zahl noch bei nur 56. Für den US-Hersteller Sanofi-Aventis sagte Firmensprecherin Melissa Feltmann, das seit 13 Jahren zugelassene Medikament sei „sicher, wenn es nach Vorschrift“ genommen werde, aber sie räumte auch ein, dass ihr Unternehmen „sehr wohl weiß, dass es wegen Ambien zu schlafwandlerischem Autofahren gekommen ist“. Entsprechende Fälle seien auch der obersten zuständigen Arzneimittelbehörde (FDA – Food and Drug Administration) gemeldet worden. Deren Sprecherin, Susan Cruzan, verwies auf die Warnung auf dem Beipackzettel: Keineswegs zusammen mit Alkohol nehmen, das könne zu Halluzinationen führen. Zu Bikalm, der deutschen Ambien-Version, heißt es in einem Internet-Warnhinweis, dass durch das Medikament „die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr …beeinträchtigt wird. Das gilt in verstärktem Maße im Zusammenwirken mit Alkohol“.
Die Toxikologin Laura Liddicoat von einem staatlichen Labor in Wisconsin hat mehrere Ambien-Fälle analysiert. Mitunter führten auch Überdosen des Medikaments zu äußerst gefährlichen Verkehrskapriolen, meinte sie. Ein Fahrer mit Ambien im Blut hatte zudem ein Mittel gegen Depressionen genommen – prompt fuhr er nachts in ein geparktes Auto, um danach auf dem Bürgersteig zum Stehen zu kommen. Er konnte sich am folgenden Morgen während des Polizeiverhörs an nichts erinnern.
Es gibt sogar einen „fliegerischen Ambien-Fall“: Der britische Staatsbürger Sean Joyce randalierte an Bord einer Maschine von US Airways, die deshalb – auf dem Weg nach London – in Boston notlanden musste. Er hatte eine Ambien genommen – und dazu Wein getrunken.
Ambien kann aber auch nachts eine regelrechte Fresssucht auslösen, berichten Ärzte in der „New York Times“. Dann plündern Schlafwandler den Kühlschrank, stopfen alles Erreichbare in sich hinein, schalten mitunter sogar Elektroherde oder Mikrowellen ein und kochen sich etwas. Am nächsten Morgen sind die Geräte noch eingeschaltet, aufgerissene Verpackungen von Lebensmitteln liegen umher, sogar vor dem Bett – und wieder gibt es nicht die geringste Erinnerung an dieses gefährliche Schlafwandeln. „Solche Leute nehmen schnell zu“, sagt Dr. Michael Silber vom Schlafinstitut der Mayo-Klinik, „und sie könnten ja auch das Haus in Brand stecken“.