Unser Leben wird immer länger. Die Statistik dazu: Lag die Lebenserwartung 1950 für Männer bei 65 und für Frauen bei 68 Jahren, ist sie inzwischen auf 76 und 80 gestiegen. Heute sind vier Prozent der Bevölkerung 80 Jahre und älter, und um 2050 werden es dreimal so viele sein. Das mag erfreulich klingen, bringt aber eine gewisse Anzahl großer Probleme mit sich. Dass sie gemeistert werden können, wurde auf einer zweitägigen Konferenz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin von weltweit anerkannten Fachleuten dargelegt. Die Wissenschaftler warteten auch mit vielen Überraschungen auf.
So werden 59 Prozent der weltweit jährlich 57 Millionen Todesfälle keineswegs durch übertragbare Krankheiten verursacht, sondern haben chronische Erkrankungen zum Anlass. In Europa sind 77 Prozent aller Erkrankungen chronisch, in Deutschland werden vier Fünftel aller Todesfälle auf chronische Krankheiten zurück geführt. Die Diagnose einer chronischen Krankheit, stellte Professor Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld fest, „ist nicht nur ein Schock für den Betroffenen, sondern veränderte auch das Leben der Angehörigen”. Frauen übrigens nehmen mehr Medikamente als Männer. 40 Prozent der deutschen Frauen nehmen wegen chronischer Erkrankungen neun Wirkstoffe oder mehr zu sich, während diese Zahl für Männer bei 35 Prozent liegt. Das ist den Wissenschaftlern zufolge zuviel. Denn 35 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen über 65 Jahren bekommen diese Mengen an Wirkstoffen mehr oder weniger dauerhaft. Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen dazu: „Unerwünschte Wirkungen und Wechselwirkungen führen zu Krankenhausaufenthalten”. Er hält die Einnahme von fünf bis acht Wirkstoffen im Alter „mit Einschränkungen gerade noch für plausibel”. In Europa werden zwischen sechs Prozent (Dänemark) und 42 Prozent (Tschechische Republik) der älteren Patienten mit überflüssigen Medikamenten behandelt, so eine auf dem Berliner Workshop bekanntgegebene Statistik. Für Deutschland liegt dieser Anteil für Männer bei 18 und für Frauen bei 27 Prozent.
Mit steigendem Alter auch nimmt die Zahl der Selbstmedikation zu - und das birgt große Gefahren in sich. Professor Gerd Gläske erwähnte auf der Berliner Tagung etwa Klosterfrau Melissengeist, das doch immerhin „einen außerordentlich hohen Alkoholgehalt aufweist - warum nur machen die Apotheken so etwas mit?”. 30 Prozent aller nichtrezeptpflichtigen Medikamente, so der Wissenschaftler weiter, „sind absolut nicht zu empfehlen”. Überraschend auch diese Zahlen: In Deutschland landen jährlich 4 000 Tonnen Medikamente im Wert von rund zwei Milliarden Euro auf Müllkippen, werden einfach weggeworfen.
Insgesamt werden die Menschen heutzutage gesünder alt als früher, obwohl 60 Prozent der 70- bis 80-Jährigen und 35 Prozent der 55- bis 69-Jährigen nie in ihrem Leben Sport getrieben haben. Welchen gesundheitlichen Beschränkungen Ältere ausgesetzt sind, „kann von Jüngeren oft nicht nachvollzogen werden”, stellte Dr. Hanne Meyer-Hentschel vom gleichnamigen Institut in Saarbrücken fest. Und Firmen vernachlässigen „die Alten oft bei der Entwicklung helfender Produkte”. Die generellen „Altersbeschwerden” sind anachlassendes Hörvermögen, veränderte Farbwahrnehmung, Blendempfindichkeit, Alterssicht, eingeschränktes Gesichtsfeld, nachlassende Kraft und Ausdauer, verringerte Beweglichkeit der Gelenke. Drei Viertel der über 65-Jährigen hören schlecht, aber nur jeder Zehnte gibt diese Problematik auch zu. Hat ein 30-Jähriger noch 100 Prozent Handmuskelkraft, liegt diese bei einem 75-Jährigen nur noch bei 55 Prozent. Das Institut nannte als „immer wiederkehrende Beschwerden” älterer Menschen: „Weiße Schrift auf gelbem Grund - wie unsinnig”, „Packungen lassen sich kaum öffnen, meist fehlt ein Aufreißfaden”, „Tabletten lassen sich oft nicht aus der Aluverpackung drücken”.
Mit der Demenz befasste sich Professor Dr. Alexander Kurz von der TU München. „Alzheimer beginnt lange vor den Symptomen”, sagte er. Mit den heutigen diagnostischen Möglichkeiten könne die ihr zu Grunde liegende Hirnkrankheit „schon im Stadium der leichtgradigen Gedächtnisstörung identifiziert werden”. Zu solchen Verfahren gehören vor allem die Proteinanalyse in der Hirnrückenmarksflüssigkeit und die Messung des Hirnstoffwechsels mittels der Positronen-Emissionstomografie (PET). Die entsprechende Vorhersagekraft solcher Untersuchungen liegt bei 90 Prozent. Es gibt leider noch immer keine Medikamente, die das Fortschreiten der Gedächtnisstörungen zur Demenz aufhalten können.
Zum Älterwerden und Alter gehört auch der Tod, wurde auf der Tagung in Berlin unterstrichen. Palliativpatienten sind Menschen mit einer unheilbaren, fortschreitenden Krankheit, die Lebenserwartung ist begrenzt. Diesem Personenkreis muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Auch hierzu interessante Zahlen: 52 Prozent der Deutschen sterben im Krankenhaus, 30 Prozent zu Hause, 13 Prozent in Pflegeheimen, nur etwa 1,5 Prozent auf Palliativstationen oder in Hospizen - in England sind letzteres dagegen 18 Prozent.