Alt wird niemand und will auch niemand werden. Vor allem heute nicht, in einer Zeit, in der nur Jugend, Schönheit und vielleicht noch die Bereitschaft, eine Leistung zu erbringen, zählt. Und so jagt die Menschheit dem Traum von ewiger Jugend hinterher - und hat ihn sich doch (noch) nicht erfüllen können. Trotz der Fortschritte in Wissenschaft und Medizin.
Altern ist nämlich ein physiologischer Prozess, keine Erkrankung, die man einfach behandeln kann, wie so mancher uns einzureden versucht. Unsere Körperzellen werden zwar im Laufe eines Lebens etwa 40- bis 50-mal erneuert. Danach ist aber Schluss. Das heißt zwar nicht, dass unser Körper und alle unsere Organe ihren Dienst verweigern. Wenn man/frau nicht alles getan hat, um sich und seinen Körper definitiv zu schädigen, so funktioniert alles weiter, wie gehabt. Nur eben ein wenig langsamer.
Langsam aber sicher werden ab einem bestimmten Alter auch dem Rührigsten Grenzen aufgezeigt. Und sei es „nur” bei Sonntagsspaziergang ist, wenn wir mit dem forschen Tempo unsere Kinder oder sogar Enkelkinder nicht mehr mithalten können.
Aber genau das will niemand wahrhaben, will sich nicht eingestehen, dass auch das Älterwerden seine schönen und sonnigen Seiten hat. Und so jagt man den Wundermitteln, Wunderdiäten, Wunderpillen und Wunderbehandlungen hinterher, die unter dem stolzen Namen Anti-Aging für Schlagzeilen sorgen. Der Begriff erklärt sich ja schon von allein: Anti = gegen. Also gegen das Alter
Unter diesem Motto „Gegen das Alter” fand im Oktober in Wien der Anti-Aging-Kongress statt, bei welchem Experten darüber berieten, wie man dem Alter denn nun endlich ein Schnäppchen schlagen kann. Die Schuldigen bei diesem unliebsamen physiologischen Prozess waren denn auch schnell gefunden: Unsere Hormone sind es! Bereits ab einem Alter von 30 Jahren, so die Experten, sinken unsere Hormone bedenklich ab und spätestens mit 40 muss mit der Hormonersatztherapie begonnen werden, wenn man „die Leistungsfähigkeit von Körper und Geist auf dem Niveau eines jungen Erwachsenen” haben will. Der Wiener kosmetische Chirurg und Anti-Aging-Spezialist präsentiert denn auch sein Konzept der Hormonregeneration, das er Hormonal Regeneration nennt. Im Rahmen diesen Konzeptes werden Hormone, wie Progesteron, Testosteron, Cortisol, Melatonin und weitere substituiert und auf ein „erwünschtes” Niveau angehoben. Daneben wird mit Stammzelltherapie gearbeitet, und, nicht zu vergessen, Diäten, Bewegung, Änderung der Lebensführung. Den „Patienten” bleibt es überlassen, wie oft sie diese Verjüngungskur machen wollen, aber eine jährliche Behandlung sei sinnvoll.
Auch bei diesem, möglicherweise sogar sinnvollen Kongress, wurde leider wieder einmal vergessen, dass nicht gegen das Altern etwas getan werden muss. Sondern dass Ärzte und Wissenschaft sich darum bemühen sollten, uns den Alterungsprozess mit all seinen Problemen und Facetten zu vereinfachen, einfach angenehmer, d.h. auch gesünder zu gestalten. Deshalb ist auch im anglo-amerikanischen Sprachraum der Begriff Anti-Aging bereits seit langem verpönt und es wird nur noch von Good-Aging gesprochen. Das Älterwerden wird nicht ignoriert, sondern bejaht und es wird alles getan, um diese Lebensphase so gesund und fit als nur irgend möglich zu meistern.
Auch wurden bei diesem Kongress die Komplikationen, die eine Hormonersatztherapie mit sich bringt, heruntergespielt. Man denke nur an die Ergebnisse der „One-million-woman-study”, die das deutlich erhöhte Brustkrebsrisiko für Frauen, die sich langfristig einer Hormonersatztherapie unterziehen, bestätigte. Oder man denke an das Risiko von Tumoren, die auch bei Männern, die mit Hormonen behandelt werden, entstehen können.
Natürlich sinken unsere Hormonspiegel im Alter, natürlich gibt es damit verbunden auch gesundheitliche Probleme, wie die Wechseljahresbeschwerden bei der Frau. Und sicherlich müssen in Einzelfällen gerade letztere auch mit Hormongaben über kurze Zeit behandelt werden. Aber - es sind nicht allein die Hormone, die das Altern verursachen oder besser gesagt, die die Lebensqualität ab einem bestimmten Alter beeinträchtigen können. Es ist ein Gesamtprozess und Good-Aging hat dieses erkannt: mit Ernährung, geeigneter Lebensführung, alterstypischer sportlicher und geistiger Betätigung und entsprechenden Behandlungsmaßnahmen, wenn behandelt werden muss kann der Alterungsprozess zwar nicht gestoppt werden, aber es kann viel getan werden, um dem Menschen auch mit zunehmendem Alter ein Maximum an Lebensqualität und Lebensfreude zu ermöglichen.
Die Formel für ewige Jugend? Die hat noch niemand erfunden und daher gibt es wohl auch täglich etwas Neues in diesem Gebiet.