Kein Hunde- oder Katzenforum, das nicht panikartig von fehlgeschlagenen Therapien und monatelangen Leidenswegen berichtet. Eltern sind völlig verunsichert und trauen sich oftmals kaum mehr, ein Haustier anzuschaffen.
Giardien (früher - und von vielen Humanmedizinern noch heute - Lamblien genannt) sind Einzeller und so winzig klein, dass man sie mit bloßem Auge in keinem Stadium erkennen kann. Sie sind nicht mit Würmern zu verwechseln, obwohl auch sie im Darm parasitieren.
Der Lebenszyklus dieser Einzeller ist komplex. Giardien bilden ein Dauerstadium (Zysten) aus, die mit dem Kot ausgeschieden werden. Die Ausscheidung des Dauerstadiums erfolgt in großer Menge und häufig intermittierend (d.h. manchmal ganz viele, aber auch oft auch überhaupt nicht). Die Zysten sind extrem widerstandsfähig und können daher über Monate infektiös bleiben; v. a. in einem feuchten Umfeld. Tiere und Menschen ohne Symptome (leider sehr häufig) können chronische Ausscheider sein.
Bei Giardien reichen 5 – 10 aufgenommene für eine Infektion! Ausgeschieden werden Millionen dieser Zysten.
Der Erreger verursacht Durchfälle unterschiedlichster Schweregrade: von wässrig bis breiig oder auch nur schleimige Auflagerungen bei normaler Kot- / Stuhlkonsistenz. Auch die Dauer und Häufigkeit der Kot- / Stuhlanomalien variieren stark. Hinzu kommen Oberbauchbeschwerden mit Gewichtsabnahme sowie ausgeprägte Blähungen. Alle Variationen sind möglich! V. a., wenn das Immunsystem noch nicht komplett ausgebildet oder gestört ist (bei Kindern, Senioren, chronisch Kranken, HIV-Infektionen), kann es zu heftigen Symptomen mit Gewichtsverlust, Mangelernährung und Wachstumsstörungen kommen. I. d. R. bleibt eine Ansteckung mit Giardien allerdings unbemerkt, so dass der Erreger weiterhin ausgeschieden und verbreitet wird (s. o.).
Giardien kommen weltweit vor und leben überwiegend im Dünndarm sowohl bei Hund, Katze, Kaninchen und Großtieren als eben auch bei uns Menschen. Daher gehören sie für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den sogenannten Zoonose-Erregern und sind beim Menschen meldepflichtig Die Übertragung erfolgt fäkal-oral, das heißt die Ausscheidung erfolgt über den Kot / Stuhl und die Aufnahme über verunreinigte Lebensmittel oder Trinkwasser (Hände waschen vor dem Kochen!). Aber auch Fliegen können diese Parasiten auf Nahrungsmittel verbreiten.
Immer noch liest man vielfach, dass Giardien hauptsächlich in südlichen / exotischen Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen vorkommen (pro Jahr erkranken mindestens 200 Millionen Menschen weltweit) - leider hat aber auch die Zahl der gemeldeten Fälle in Deutschland zugenommen. 2015 wurden knapp 7.000 in Deutschland gemeldet. Beim Menschen ist der Befall mit Giardien sogar die häufigste durch einen Parasiten verursachte Darmerkrankung in den westlichen Industrieländern, also in Ländern mit einem sehr guten Hygienestandard!
Inzwischen weiß man, dass es Giardien in sieben verschiedenen Varianten gibt, die doch recht wirtsspezifisch sind. So findet man beim Menschen hauptsächlich Typ A und B, bei der Katze F und beim Hund C und D (Ballweber et al.,Trends Parasitol. (26) 2010, Upjohn et al., Vet Parasitol. (20) 2010). Leider vergessen Giardien von Zeit zur Zeit ihre Wirtsspezifität, so dass Typ A und B auch beim Tier auftritt und damit natürlich auch auf den Menschen übertragbar sind.
Meist dient dazu ein empfindlicher, immunologischer Test auf Oberflächenmoleküle zur Diagnostik. Seltener wird nach den Einzellern mittels Mikroskop gesucht. In der Regel sind dafür drei Stuhlproben nötig, die zu unterschiedlichen Zeiten abgegeben werden müssen. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, eine Infektion auch wirklich zu erkennen.
Eine Giardieninfektion lässt sich mit Medikamenten gut behandeln. Selten ist eine Flüssigkeitssubstitution durch eine Infusion von Nöten. Todesfälle gibt es fast nicht (schon gar nicht in der westlichen Welt). Ein erwachsener, gesunder Mensch / Tier kommt im Allgemeinen alleine mit dem Erreger klar. Sollte Ihr Tierarzt aber eine Giardieninfektion bei Ihrem Haustier diagnostiziert haben - und da sind nun einmal die Veterinärmediziner hellhöriger als die Humanmediziner - so sollten Sie Ihren Hausarzt darauf aufmerksam machen! Evtl. wäre ein Test in der gesamten Familie sinnvoll, damit es nicht zu einem ständigen „hin und her“ kommen kann.
Ein wichtiges, wenn nicht sogar DAS wichtigste Problem stellt die „Wiederansteckung“ = Reinfektion durch die ausgeschiedenen Zysten und damit der verseuchten Umgebung dar.
Giardien sind seit längerer Zeit in aller Munde: Sicherlich bilden sie seit ewig langer Zeit (Dinosaurier) ein biologisches Ausleseverfahren. Meistens überstehen wir ihren Test und überleben die Ansteckung ohne große Symptome - manchmal benötigen wir ärztliche Hilfe - kein Grund in Panik zu geraten: Häufig bedarf es mehrerer Behandlungs-Zyklen bei Tier und Mensch, aber sterben muss man deswegen in westlichen Ländern ganz sicher nicht an diesen uralten Einzellern!
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