Mittlerweile ist die Corona-Pandemie auch für Hartgesottene nur noch schwer erträglich. Bringt sie doch für den Alltag Verunsicherung, gesundheitliche Sorgen, wirtschaftliche Existenzängsten und auch soziale Isolation mit sich. Die sich dadurch stark erhöhte psychische Belastung sollte man aber nicht nur als Folge der pandemischen Entwicklung betrachten. Denn dauerhafter Stress kann seinerseits die Immunabwehr schwächen und so als möglicher Verstärker auf die Infektionswelle zurückwirken. Ins Positive gewendet heißt das aber auch: Wer dem Stress gezielt entgegenwirkt, kann seine Abwehrkräfte stärken: Und dies nicht nur, aber gerade auch in der freien Zeit! Zu dieser Ansicht kommt die angesehene Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.
Ausgehend vom Gehirn als zentraler Schaltstelle vermeldet eine Kaskade von Hormonen und anderen Botenstoffen, dass es eine besondere Herausforderung zu bewältigen gibt. „Als Auslöser kommt Ärger am Arbeitsplatz ebenso infrage wie Stress mit dem Partner, eine chronische Krankheit oder – wie jetzt gerade während der Pandemie – ein anhaltendes Gefühl von Unsicherheit und Angst“, sagt Prof. Dr. med. Eva Peters, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Über Nervenverbindungen einerseits und das Blutgefäßsystem andererseits gelangt der Alarmruf in jeden Winkel des Körpers und lasse auch die Funktion der Immunzellen nicht unberührt.
Eine Schlüsselrolle dabei spielt das Stresshormon Cortisol, das in der Nebennierenrinde hergestellt wird. Und von dem man bereits seit langem weiß , dass es die Fähigkeit des Immunsystems zur Infektabwehr verändert. Mittlerweile ist ein ganzes Netzwerk von Nerven- und Immunbotenstoffen bekannt, die mehr oder weniger direkt mit Cortisol interagieren, unter Stress freigesetzt werden und die Infektanfälligkeit erhöhen. Manche dieser Stressmediatoren stören etwa die Barrierefunktion der Haut und der Schleimhäute, sodass Krankheitserreger – insbesondere Viren, die wie SARS-CoV-2 die Atemwege befallen – leichter eindringen können.
Wie groß der Einfluss psychischer Faktoren auf die Anfälligkeit gegenüber SARS-CoV-2 ist, ist noch nicht bekannt. Doch erste Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Stressoren wie ein niedriges Einkommen oder Arbeitslosigkeit, Partnerlosigkeit, mangelhafte Ernährung oder beengte Wohnverhältnisse auch hier eine negative Rolle spielen. Daher sollten diese Belastungen auch im Patientengespräch erfasst und bei der Abschätzung des individuellen Krankheitsrisikos stärker berücksichtigt werden.
Dass chronischer Stress die Infektanfälligkeit erhöht ist seit langem bekannt. Im Gegenzug kann sich aber ein akuter, nur kurz anhaltender Stress gesundheitsfördernd auswirken und genau das kann man sich auf vielfältige Weise zunutze machen; Stress entsteht nämlich auch durch gemäßigten Sport wie Fahrradfahren, Gymnastik oder Spazierengehen. Oder durch einmal am Tag an die frische Luft gehen. Aber auch Lachen oder Singen aktiviert die gesundheitsfördernde Stressachse.
Chronische Stressfaktoren wie Schlafmangel oder Vereinsamung lassen sich durch regelmäßige Bettgehzeiten sowie die abendliche Bildschirmzeit reduzieren und bei Bedarf kann mit Hilfe von Ohrstöpseln für einen ungestörten Schlaf gesorgt werden.
Das gerade im Lockdown ausgeprägte Gefühl der Isolation kann man u.a. durch kurzfristige Kontakte auf Spaziergängen, beim Einkaufen oder am Telefon lindern. Denn gute soziale Bindungen, auch digital, können ein wirksames Moment der Immunabwehr sein, da sie negative langfristige Stresseffekte puffern. Es bieten sich viele Möglichkeiten, seinem Stress nicht hilflos ausgeliefert zu sein.
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