Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Das ist schon lange bekannt. Denn Tumore der Brust unterscheiden sich in ihrer Biologie stark voneinander und müssen deshalb unterschiedlich behandelt werden. Für die Wahl der Therapie werden die Patientinnen derzeit in drei Risikogruppen eingeordnet: Frauen, die ein niedriges, mittleres oder hohes Risiko haben, dass ihre Krankheit weiter fortschreitet und sie einen Rückfall erleiden. Während bei Patientinnen mit hohem bzw. niedrigem Risiko die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie oftmals eindeutig ist, ist die Therapieentscheidung bei Frauen mit mittlerem Risiko eine Gratwanderung: „Die üblicherweise verwendeten Prognosefaktoren lassen dann keine eindeutige Schlussfolgerung zu, ob eine Chemotherapie tatsächlich notwendig ist oder ob möglicherweise eine alleinige anti-hormonelle Behandlung ausreicht“, sagt Prof. Dr. Carsten Denkert von der Berliner Charité. „Oftmals wird den betroffenen Frauen aus Sicherheitsgründen zu einer Chemotherapie geraten, auch wenn diese wahrscheinlich überflüssig ist.“ Damit soll jetzt Schluss sein. Seit Herbst 2011 ist in Deutschland ein neues Testverfahren erhältlich, das genau anzeigt, ob eine Patientin auch ohne Chemotherapie ausreichend behandelt werden kann.
Der Test heißt EndoPredict und kann anhand genetischer Merkmale Patientinnen identifizieren, die allein unter einer anti-hormonellen Behandlung und ohne Chemotherapie eine mehr als 95-prozentige Wahrscheinlichkeit haben, in den nächsten zehn Jahren keine Metastasen zu entwickeln. „Die Anwendung des EndoPredicts kann helfen, Übertherapien zu reduzieren“, so Privatdozent Dr. Ralf Kronenwett, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung der Kölner Firma Sividon Diagnostics GmbH, die den Test für die Anwendung in Pathologielabors anbietet. „Wir erwarten, dass durch die Anwendung des EndoPredicts künftig 20 bis 40 Prozent der Patientinnen, die entsprechend der gültigen Behandlungsrichtlinien der mittleren Risikogruppe zugeordnet werden, eine belastende Chemotherapie erspart werden kann. Die Effektivität ihrer Behandlung wird dabei nicht erkennbar beeinträchtigt werden.“
Wie funktioniert der Test? Anhand einer kleinen Gewebeprobe des Tumors wird die Aktivität von zwölf Genen untersucht. Ein zusätzlicher Eingriff ist hierfür nicht nötig, es kann auf das vorhandene Gewebe aus einer Biopsie oder Operation zurückgegriffen werden. „Abschließend wird durch einen mathematischen Algorithmus ein spezifischer Risiko-Wert errechnet. So können wir eine treffsichere Prognose über den Verlauf der Erkrankung und das Rückfallrisiko geben“, beschreibt Dr. Kronenwett. Im Idealfall liegt das Testergebnis innerhalb eines Tages vor.
Der Test wird mittlerweile an rund 25 Pathologie-Instituten in Deutschland und der Schweiz für die klinische Anwendung angeboten. Geeignet ist der Test für etwa 70 Prozent der Brustkrebspatientinnen mit hormonrezeptorpositiven und HER2- negativen Karzinomen.