Der französische Chemiker Michael Eugène Chevrel prägte vor fast 200 Jahren den Namen Cholesterin. Seit 60 Jahren tobt um seine Werte recht vehement ein Glaubenskrieg. So richtig Fahrt aufgenommen hat dieser seit 1989, als die ersten Cholesterinsenker, die Statine, auf die Welt kamen.
Cholesterin, auch als Cholesterol bezeichnet, kommt aus dem griechischen, chole heißt Galle, stereos fest, eine feste Galle(nflüssigkeit) also, die 1824 in Gallensteinen gefunden wurde. Cholesterin ist eine fettähnliche Substanz, wird zum größten Teil in der Leber produziert und spielt eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung von allen Zellmembranen, ob das nun z.B. Wände von Gefäßen, Hirnzellen oder sonstigen Strukturen im Körper sind.
Nach gängiger Lehrmeinung haben wir nicht einfach nur Cholesterin im Blut. Wir haben das gute HDL-Cholesterin (High Density Lipoprotein), welches sich neutral verhält und das schlechte LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein), welches Arteriosklerose und damit Herz-Kreislauferkrankungen(meist kurz als KHK bezeichnet) fördert.
Erste Maßnahmen, um erhöhte Cholesterinwerte zu senken, sind mehr Bewegung, Gewichtsreduktion sowie Ernährungsumstellung. Aber das hilft nicht bei jedem – die Gründe sind vielfältig. Und bei genau diesen Fällen greifen Ärzte zur Abhilfe bei ihren Patienten dann zu den Statinen. Diese wurden im Laufe der Zeit zum Goldstandard der Cholesterinsenkung und gleichzeitig mutierten sie zu wahren Wundermitteln bei allen möglichen Diagnosen. Es gab plötzlich Wirkungen die oft nur beschrieben wurden, andere wiederum wurden tatsächlich untersucht. So sollen die Statine das Krebsrisiko reduzieren oder die Darmflora günstig beeinflussen. Und in letzter Zeit hieß es sogar, dass sie das Sterberisiko bei Covid-19 senken können. Die meisten dieser Meldung wurde jedoch sehr schnell korrigiert. Statine erhöhen das Sterberisiko bei Covid-19 nicht. Aber sie reduzieren es auch nicht, selbst wenn man vermutet, dass ihre entzündungshemmende Wirkung bei Covid-19 möglicherweise positive Effekte hat.
Statine, und das darf in diesem Bericht nicht unerwähnt bleiben, sind ein riesiger Markt, sowohl für die herstellenden pharmazeutischen Unternehmen, als auch für die verschreibenden Ärzte. Das ist einer der Gründe, weswegen die Europäische Gesellschaft für Kardiologie und die Europäischen Gesellschaft für Arteriosklerose Cholesterin-Zielwerte vorgibt, an denen sich die Behandlung der Hypercholeresterinämie und die Dosis der einzelnen Statine orientieren soll und muss. Das große Problem dabei ist, dass diese Leitlinien und die damit verbundenen Werte regelmäßig nach unten korrigiert werden.
Die letzte diesbezügliche Korrektur gibt folgende Werte aus: Bei sehr hohem kardiovaskulären Risiko soll der LDL-Cholesterinwert auf unter 55 mg/dl gesenkt werden, bei einem hohen Risiko auf 70 mg/dl, bei moderatem Risiko auf unter 100 mg/dl und bei niedrigem Risiko auf unter 116 mg/dl.
Bei diesen, in den Leitlinien für Ärzte vorgegebenen niedrigen Werten, die fast jährlich immer weiter nach unten rutschen, ist eines absolut klar: Es wird bald kaum noch jemanden in der Bevölkerung geben, der keine Statine braucht.
Vergessen, unbeachtet und gerne auch verschwiegen wird die Tatsache, dass durch Statine nicht unerhebliche Nebenwirkungen auftreten können. Dieses Risiko für die Entstehung von Nebenwirkungen ist allerdings je nach eingesetztem Statin und auch je nach eingesetzter Dosis unterschiedlich hoch. Und natürlich spielt die individuelle Situation jedes Patienten dabei eine nicht unentscheidende Rolle. Die Statin-Hersteller werden nicht müde zu betonen, dass Schwere und Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkungen gering sei und lediglich 0,5 bis 2 Prozent der Patienten betreffe.
Zu den schlimmsten Nebenwirkungen unter Statinen gehören zweifelsohne Myopathien, vor allem die Rhabdomyolyse, ein extremer Zerfall von Muskelzellen. Der Muskel löst sich auf. Die Zerfallsprodukte, in erster Linie das Myoglobin, werden über die Nieren ausgeschieden und schädigen diese erheblich, so dass es zu akutem und tödlichen Nierenversagen kommen kann. Lipobay (Cerivastatin) verschwand ob dieser Nebenwirkungen daraufhin vom Markt. Die weiteren Statine wurden sehr viel vorsichtiger verordnet. Dennoch – die Gefahr von Myopathien unter Statintherapie blieb. Vor allem, wenn weitere Medikamente gleichzeitig verabreicht werden, wie bestimmte Antibiotika, Immunsuppresiva oder Pilzmittel. Eine weitere Nebenwirkung, über die als Fallbericht im British Medical Journal berichtet wurde, sind Albträume.
Albträume könnten wir jedoch auch ob der Tatsache entwickeln, dass wir lebenslang Statine einnehmen und die Dosis immer wieder neu anpassen müssen. Immer dann, wenn Experten die Normwerte für Cholesterin, HDL und LDL nach unten korrigieren.