Lou Bega und seine Tänzerinnen mischen bei einem Ball das Publikum auf. Der Sänger bewegt sich schnell durch die Menge, die knapp bekleideten Frauen umkreisen ihn. Musikalische Power und kompakte Erotik vereinen sich. Eine aufgeheizte Stimmung, der ganze Saal wippt mit. Dabei könnte es - wie auch bei spannenden Fußballderbys - zu Zusammenbrüchen im Publikum kommen. Bei manchen versagt in solchen Situationen der Kreislauf, andere erleiden gar einen Schlaganfall. Was soll man dann tun? Der Veranstalter weiß es: Sofort die Notfallnummer 112 wählen.
Die neue Kampagne der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist die bisher größte bundesweit, sie begann im Mai und endet im Oktober. Von Berlin aus soll sie auf andere Städte übertragen werden, denn die Kenntnisse über die Wirkung von Schlaganfällen, die medizinische Versorgung und die Rettung der Betroffenen ist, so die Stiftung, katastrophal. Rund 250 000 Menschen erleiden pro Jahr in Deutschland einen Schlaganfall, fast 700 jeden Tag. Doch nur 40 Prozent gelangen im bundesweiten Durchschnitt in den ersten Stunden nach dem Schlag im Hirn in eine Klinik. Mehr als 50 Prozent kommen zu spät, die Rettungsaussichten verringern sich.
Nur mehr Aufklärung könnte diese fatale Lage ändern. Grundsätzlich, so Prof. Dr. Jan Sobesky, 42, von der Berliner Charité, müssten in Deutschland „langfristige Strukturen” geschaffen werden, dass mehr Betroffene therapiert werden können. Auf Plakaten, Werbeträgern auf Bahnen und Bussen, mit öffentlichen Filmvorführungen, Kinotrailern und Lesungen sollen die Menschen nun erreicht werden.
Was geschieht bei einem Schlaganfall? In 80 Prozent aller Fälle ist er ein Hirninfarkt. Dabei verstopft ein Gerinnsel ein Blutgefäß, die Gehirnzellen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und sterben ab. In 20 Prozent aller Fälle handelt es sich um eine Hirnblutung. Es kommt zum plötzlichen Riss eines Blutgefäßes, das Blut sickert ins Hirngewebe, Zellen sterben ab. Ursache ist oft erhöhter Blutdruck, der die Hirngefäße mürbe macht, bis sie irgendwann dem Druck nicht mehr standhalten. Das Fatale: Der Schlaganfall verläuft meist völlig schmerzfrei. Der Betroffene erkennt nicht, dass er „wie vom Schlag getroffen” ist, obwohl er unscharf oder doppelt sieht, mit Schwindel und Gleichgewichtsstörungen zu tun hat, plötzliche heftige Kopfschmerzen ihn plagen, auch halbseitige Lähmungen - manchmal nur in einem Bein oder Fuß - oder Muskelschwächen und Schwierigkeiten beim Sprechen auftreten. Wer am Freitag einen Schlaganfall erleidet, aber erst am Montag zum Arzt geht, ist eindeutig zu spät dran. Der Schlaganfall ist ein Notfall wie der Herzinfarkt, helfen kann nur die schnelle medizinische Versorgung. Jede Minute, die eher behandelt wird, erhöht die Heilungschancen. Denn Minute um Minute sterben Nervenzellen ab, wenn man diesem Prozess nicht entgegenwirkt.
Was sind die Risikofaktoren? Bluthochdruck, Diabetes, Störungen des Fettstoffwechsels, Übergewicht, Bewegungsmangel, Herzrhythmusstörungen. „Aber auch chronische Entzündungen können das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen”, so Jan Sobesky. Wer sich regelmäßig beim Allgemeinarzt durchchecken lässt, verringert sein Risiko beträchtlich. Der Schlaganfall tritt zwar plötzlich auf, ist aber immer der Endpunkt einer langen Vorgeschichte. Raucher sind besonders gefährdet, beim Alkoholgenuss dagegen, so Sobesky, „ist der Zusammenhang komplizierter. Es gibt Hinweise, dass ein sehr geringer Alkoholkonsum eine schützende Wirkung für die Gefäße haben kann.”
Wie muss die Behandlung erfolgen? Schon beim Transport in die Klinik müssen die „Vitalparameter” Kreislauf, Blutdruck, Blutzucker und Sauerstoffversorgung gesichert werden. In der Klinik folgt zügig die Diagnose durch eine bildgebende Untersuchung mittels Röntgen- oder Magnetresonanztomografie. Daraufhin wird die Therapie festgelegt. Im Fall eines verstopften Blutgefäßes etwa ist eine Thrombolyse notwendig, alternativ eine mildere Blutverdünnung durch Tabletten oder Spritzen. Wenn die Therapie gelingt, sind „diese Patienten in mehr als 50 Prozent anschließend wieder funktionell unabhängig”, sagt Jan Sobesky. „Das heißt, sie haben entweder keine Beschwerden mehr oder nur noch so geringe, dass sie ein unabhängiges Leben führen können.” Diese Prozentzahl könnte durch die Aufklärungskampagne gesteigert werden.
Weitere Infos: www.schlaganfall-hilfe.de