Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz sind große Erwartungen verbunden. In Form einer innovativen App ermöglicht sie nun Menschen, die ihre Sprachfähigkeit verloren haben, die Rückkehr zu ihrer eigenen Stimme – und damit auch zur aktiven Teilnahme am sozialen Leben. Zwei Wirtschaftsinformatiker aus München wurden für diese Entwicklung mit dem Preis für Engagement und Selbsthilfe der Hertie-Stiftung ausgezeichnet.
Zahlreiche Erkrankungen können dazu führen, dass die Fähigkeit zur Sprachsteuerung verloren geht – darunter auch die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Diese fortschreitende neurologische Krankheit beeinträchtigt zunehmend die Muskelkontrolle, was schließlich essenzielle Funktionen wie das Schlucken und Sprechen unmöglich macht. „Wer sich mitteilen und an Gesprächen beteiligen möchte, konnte bislang auf computergenerierte Stimmen zurückgreifen. Doch das ist mühsam und langsam“, erklärt Jochen Schwarzmann, einer der Mitbegründer von KI meets ALS. „Während man noch versucht, einen Satz zu formulieren, ist die Unterhaltung der anderen längst weitergegangen.“
Ein Projekt aus persönlicher Erfahrung heraus
Schwarzmann, selbst von ALS betroffen, erkannte das Potenzial der KI-Technologie im Austausch mit seinem langjährigen Freund und Geschäftspartner Jens Wehrmann. Im Rahmen ihres gemeinsamen Podcasts „Digitacheles KI“ führten sie während des US-Wahlkampfs 2024 ein Interview mit einem KI-generierten Audio-Double von Donald Trump. Diese unerwartete Erfahrung war der Auslöser für das Projekt „KI meets ALS“. Gemeinsam mit Schwarzmann und dem Entwicklerteam der Mobile Software AG entwickelte Wehrmann auf eigene Initiative einen Prototyp einer App, die Gespräche mitverfolgt, sinnvolle Antworten voraussagt und dem Nutzer in Echtzeit passende Antwortvorschläge unterbreitet.
Die ausgewählte Antwort kann anschließend mit der natürlichen Stimme des Nutzers wiedergegeben werden – eine Stimme, die die KI zuvor anhand weniger Sekunden Originalton erlernt hat. Für die Betroffenen bedeutet das eine enorme Verbesserung ihrer Lebensqualität: „Mit jeder Unterhaltung, an der der Nutzer aktiv teilnimmt, erweitern sich die Ausdrucksmöglichkeiten“, erläutert Schwarzmann. „Und darüber hinaus erhalten die Betroffenen buchstäblich ihre Stimme zurück – was ihnen hilft, der sozialen Isolation zu entkommen, die der Verlust der Sprechfähigkeit mit sich bringt.“
Anerkennung für ein außergewöhnliches Engagement
Die nicht-kommerzielle Initiative der beiden IT-Experten, die durch eine enge Freundschaft verbunden sind, wurde – neben drei weiteren Projekten – mit dem Preis für Engagement und Selbsthilfe der Hertie-Stiftung geehrt. „‚KI meets ALS‘ zeigt eindrucksvoll, wie digitale Innovation echte Teilhabe ermöglicht – nicht nur für Menschen mit ALS, sondern für alle, die auf Kommunikation angewiesen sind“, würdigte Dr. Eva Koch von der Hertie-Stiftung das Projekt in ihrer Laudatio. „Es wird deutlich, dass Freundschaft und technisches Know-how gemeinsam Großes bewirken können: Wenn Vertrauen und Kompetenz zusammenkommen, entstehen Lösungen, die weit über das Persönliche hinausreichen.“
Auf der Suche nach weiteren Unterstützern
Seit über drei Jahrzehnten zeichnet die Hertie-Stiftung mit ihrem Preis Menschen aus, die sich für andere engagieren – mit Projekten, die das Leben von Erkrankten und deren Angehörigen positiv verändern. Im Fokus stehen dabei neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und ALS. Der Preis ist mit insgesamt 25.000 Euro dotiert und wird in der Regel auf mehrere Initiativen verteilt. „Wir sind unglaublich stolz auf diese Auszeichnung und sehen sie als Bestätigung dafür, dass wir mit unserem Einsatz auf dem richtigen Weg sind“, sagt Jens Wehrmann. Obwohl der Machbarkeitsnachweis bereits erbracht wurde, benötigt das Projekt „KI meets ALS“ weiterhin jede erdenkliche Unterstützung. Die Entwickler hoffen aktuell auf Fördermittel für die Weiterentwicklung – und wären auch über das Engagement interessierter Sponsoren sehr erfreut.