Einem Forscherteam um PD Dr. Justus Marquetand vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung der Universität Tübingen und der Universität Stuttgart ist es gelungen, zwei Verfahren zu entwickeln, mit denen Muskelaktivität und Trainingsanpassung völlig berührungslos gemessen werden können. Die Studien, die in den Fachzeitschriften Journal of Electromyography and Kinesiology und Journal of Neural Engineering veröffentlicht wurden, zeigen: Mit hochempfindlichen Quantensensoren lassen sich ganz ohne Elektroden und Hautkontakt Magnetfelder messen, die bei Muskelbewegungen entstehen.
Zur Messung der Magnetfelder aktiver Muskeln verwendeten die Forscher so genannte optisch gepumpte Magnetometer (OPM) - ein Verfahren, das als Magnetomyographie (MMG) bezeichnet wird. Vier Wochen lang trainierten Probanden in der ersten Studie unter der Leitung von Tim Brümmer ihren Bizeps. Die Ergebnisse zeigen, dass MMG trainingsbedingte Veränderungen der neuromuskulären Aktivität ebenso zuverlässig erfasst wie die etablierte Elektromyographie (EMG) - mit dem Vorteil, dass die Messung völlig berührungslos erfolgt.
In der zweiten Studie ist es dem Team erstmals gelungen, die so genannte Muskelfaserleitgeschwindigkeit (Muscle Fiber Conduction Velocity, MFCV) rein magnetisch zu messen. Dieser wichtige Parameter gibt Auskunft darüber, wie schnell Signale entlang der Muskelfasern weitergeleitet werden - ein Wert, der in der Sportwissenschaft und Diagnostik eine zentrale Rolle spielt. Auch hier zeigte sich: Mit zunehmender Muskelkraft steigt die Leitungsgeschwindigkeit - ein bekanntes Phänomen, das nun erstmals berührungslos gemessen werden konnte.
Dass diese Ergebnisse nicht nur Einblicke in die Muskelphysiologie, sondern auch praktische Anwendungen ermöglichen, ist besonders bemerkenswert. Durch die berührungslose Technik entfällt die aufwändige Hautpräparation, die bei klassischen Elektrodenmessungen oft notwendig ist. Für wiederholte Messungen im Training, Messungen bei Kindern oder in der Rehabilitation ist die Methode daher besonders attraktiv.
„Ich freue mich, dass wir mit unserem interdisziplinären Team einen sichtbaren Beitrag zum Transfer von Quantentechnologien in konkrete medizinische Anwendungen leisten können. Unsere Studien zeigen, dass es möglich ist, Muskelaktivität hochpräzise zu messen - ganz ohne Hautkontakt“, sagt Studienleiter PD Dr. Justus Marquetand. „Das eröffnet neue Perspektiven für die klinische Diagnostik, die Trainingssteuerung und die neurowissenschaftliche Forschung. Wir verstehen immer besser, in welchen Bereichen Quantensensoren künftig eine zentrale Rolle in der Medizin spielen könnten“, ergänzt Prof. Dr. Markus Siegel, Leiter der Abteilung Neuronale Dynamik und Magnetenzephalographie, in der die Studien durchgeführt wurden.
Die Ergebnisse zeigen, welches Potenzial in der Verbindung von moderner Sensortechnik und neurowissenschaftlicher Forschung steckt - und wie Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in alltagsnahe Anwendungen überführt werden können. …