Immer, wenn die Nebennieren in ihrer Funktion gestört werden, kann es zu einer Überproduktion von zu viel männlichen Hormonen, wie etwa Testosteron, kommen. Die Folgen sind bei jungen Frauen oder Mädchen ein unregelmäßiger Zyklus, das Entstehen von Damenbart, unschöne Akne und auch Unfruchtbarkeit. Der Grund dafür liegt in einer angeborenen Funktionsstörung der Nebennieren. Im Fachjargon bezeichnet man es Adrenogenitale Syndrom (AGS) und wird den „Störungen der Geschlechtsentwicklung“ zugerechnet.
AGS ist aber auch die wichtigste Differentialdiagnose zum Polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS), welches, viel häufiger als AGS auftretend, ähnliche Beschwerden hervorrufen kann.
AGS ist eine vererbbare Stoffwechselkrankheit und kann bei Betroffenen auch eine schwere Form der Erkrankung auslösen. Schon deswegern muss im Zweifel immer eine endokrinologische Abklärung erfolgen. Über Erkrankung sowie ihre Behandlungsmöglichkeiten wurde auch bei der Deutschen Hormonwoche diskkutiert.
Professor Dr. med. Nicole Reisch, Endokrinologin/Diabetologin aus München, erklärte dazu: „Die zwei wichtigsten Formen (von AGS, Anm. d. Red.) unterteilen sich grob in die bereits zur Geburt auftretende klassische, schwere Form und in die sehr viel häufigere und mildere, nicht-klassische Variante, das late-onset AGS. In über 90 Prozent der Fälle ist die Ursache der Mangel eines Enzyms der Nebenniere, der 21-Hydroxylase. Das Enzym ist für die Bildung von Cortisol verantwortlich. Als Folge kann es zu einer Unterversorgung mit diesem lebenswichtigen Hormon kommen, wie auch zu einem Mangel an dem Salzhormon Aldosteron bei der schweren Form. Diese klassische und schwere Form der Erkrankung betrifft etwa eines von 10.000 bis 15 000 Neugeborenen beiderlei Geschlechts. Jeder 50. bis 60. Mensch hierzulande hat die Erbanlage dafür. Doch nur wenn zwei dieser Erbanlagen, von Vater und Mutter, zusammentreffen, kommt es zur Erkrankung. Die schwere Form verläuft in den ersten Lebenswochen tödlich, wenn sie nicht erkannt und rasch therapiert wird. Daher wird in Deutschland jedes Neugeborene auf diese Erkrankung hin untersucht. Bei zeitnahem Beginn der lebensnotwendigen Hormonersatztherapie überleben inzwischen praktisch alle Babys. An late-onset AGS leidet etwa eines von 200 bis 1000 Mädchen und Frauen. Typischerweise treten erste Symptome ab der Pubertät auf. Die Betroffenen weisen in der Regel jedoch keinen Cortisolmangel auf. Ihre Nebennieren produzieren aber ein Überangebot an männlichen Hormonen. Dieses lösen die typischen Beschwerden aus.”
Gerade weil aber die Symptome bei AGS oft unspezifisch sind, muss dies ein Grund sein, auch an das AGS zu denken und es gegebenenfalls abzuklären. Allerdings weiß man auch: In 90 Prozent der Fälle werden die Beschwerden bei Mädchen und Frauen vom PCOS verursacht. Doch „zwei Drittel der Betroffenen eines nicht-klassischen AGS sind Genträger einer schweren Mutation und können damit die Anlage für ein klassisches AGS weitergeben.“
Und damit erhöht sich bei den Nachkommen das Risiko für ein klassisches AGS und eine genetische Beratung und Untersuchung des Partners darf gerade bei Kinderwunsch nicht außen vor gelassen werden.
Zur Diagnostik des nicht-klassischen AGS muss ein ausführliches Hormonprofil erhoben werden und erst wenn ein konkreter Verdacht vorliegt, wird im Anschluß ein Hormonstimulationstest angeordnet. Auch, um einen eventuell doch vorhandenen Mangel an Cortisol auszuschließen. Konkrete Beschwerden, z. B. eine unregelmäßige Regelblutung … können meist gut durch Glukokortikoide behandelt werden. Bei verstärkter Behaarung vom männlichen Verteilungsmuster, dem sogenannten Hirsutismus, lohnt ein Therapieversuch mit bestimmten Anti-Baby-Pillen. Hilfreich können auch hormonhaltige Hautcremes sein. Sie hemmen insbesondere das Haarwachstum im Gesicht. „Ideal ist dann eine Kombination mit kosmetischen Behandlungen“, so Professor Reisch. Akne sollte von Hautärztin und Hautarzt mitbehandelt werden.
Männer sind theoretisch genauso häufig vom late-onset AGS betroffen wie Frauen. Allerdings zeigen sich bei ihnen jedoch meist keine größeren Beschwerden. „Das liegt daran, dass der überwiegende Anteil an männlichen Hormonen bei ihnen im Hoden gebildet wird. Die Produktion der Nebennieren fällt bei Männern in der Regel nicht so ins Gewicht.“ Symptome bei Kindern beider Geschlechter können jedoch eine frühe „Pubertät“, Hautunreinheiten, ein zunächst beschleunigtes Wachstum und dann später Minderwuchs sein.
Heute kann die Medizin AGS bei einer rechtzeitige Abklärung durch Endokrinolog:innen gut behandeln. Infos gibt es unter: www.ags-initiative.de
Quelle: PM Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, 10-22
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