Jährlich erkranken in Deutschland knapp 50.000 Frauen an Brustkrebs, davon sind 17.000 jünger als 60 Jahre. Das heißt, etwa jede neunte Frau ist im Laufe ihres Lebens von Brustkrebs betroffen. Das Mammakarzinom ist die häufigste bösartige Erkrankung bei Frauen. Jede Frau kennt die Vorsorgeuntersuchungen, die dazu dienen, den Brustkrebs möglichst früh zu erkennen: Die regelmäßige Selbstuntersuchung, das Abtasten beim Frauenarzt und ab einem Alter von etwa 50 Jahren eine jährlich empfohlene Mammografie.
Viele Frauen haben schon erlebt, wie groß die Angst ist, wenn sie beim Abtasten der Brust einen Knoten oder eine Verhärtung feststellen. Aber nicht jeder Knoten in der Brust ist ein bösartiger Tumor: Statistisch gesehen sind vier von fünf getasteten Knoten gutartig. Endgültige Gewissheit darüber können nur weitere Untersuchungen beim Frauenarzt schaffen.
Um möglichst schnell zu erfahren, was die Auffälligkeit in der Brust bedeutet, sind umfangreiche Untersuchungen notwendig. Wird der Verdacht auf Brustkrebs durch bildgebende Verfahren wie Mammografie, Ultraschall, Computertomografie (CT) oder die Kernspintomografie (MRT) erhärtet, muss die Bösartigkeit mittels einer Gewebeentnahme (Biopsie) konkretisiert oder ausgeschlossen werden. Anhand der feingeweblichen Untersuchung, auch histologischer Befund oder Steckbrief des Tumors genannt, kann sowohl der Krebstyp als auch der Grad seiner Aggressivität festgestellt werden.
Vom ersten Verdacht auf Brustkrebs bis zur sicheren Diagnose durchleben die betroffenen Frauen ein Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffen und Bangen, immer im Spannungsfeld: Brustkrebs – ja oder nein? Die endgültige Gewissheit, Brustkrebs zu haben, ist für alle Betroffenen ein Schock. Die emotionale Belastung ist erdrückend, die große Angst eine Brust zu verlieren oder vielleicht an der Krankheit sterben zu müssen, macht viele Frauen hilflos. Vertrauensvolle Gespräche mit dem Arzt und die Unterstützung von Angehörigen und Freunden können helfen, Mut zu fassen und positiv in die Zukunft zu blicken. Denn die Ergebnisse in der Behandlung von Brustkrebs sind durch den medizinischen Fortschritt in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert worden. Weil die Erkrankung chronisch ist und auch nach vielen Jahren wieder ausbrechen kann, ist es schwierig, verlässliche Daten über die Heilung zu ermitteln.
Brustkrebs ist eine bösartige (maligne) Gewebeveränderung in den Brustdrüsen. Die Krebszellen sind entartete Zellen: Ihr Zellstoffwechsel ist anders, sie teilen sich schneller als gesunde Zellen und leben länger. Ihre Entwicklung vollzieht sich unabhängig von ihrem Ursprungsgewebe und sie verhalten sich zerstörerisch gegenüber Nachbarzellen.
Man unterscheidet beim Brustkrebs nicht-invasive und invasive Karzinome (bösartige Geschwülste).
Das nicht-invasive Karzinom _, auch „sesshafter Tumor“ genannt, zeichnet sich dadurch aus, dass es auf den Ursprungsort der Entstehung begrenzt und noch nicht in das umliegende Gewebe eingedrungen ist. Nicht-invasive Karzinome werden auch als Vorstufen oder _Carcinoma in situ bezeichnet. Sie sind auf ihren Entstehungsort, die Drüsenläppchen (Duktales Carcinoma in situ, DCIS) oder die Milchgänge (Carcinoma lobulare in situ, CLIS) beschränkt und wachsen vorerst nicht in die Tiefe. Diese Tumorarten können in mehr als 90 Prozent der Fälle durch Operation und eventuell zusätzliche Bestrahlung geheilt werden.
Beim invasiven Brustkrebs sind die Krebszellen bereits in das umliegende Gewebe eingedrungen, man spricht dann von einem „systemischen“ Befall. Die invasiven duktalen Karzinome gehen von den Milchgängen aus und sind mit 78 Prozent die häufigsten invasiven Tumore. Es sind häufig feste (solide) Knoten tastbar, die in der Mammografie und im Ultraschall gut zu erkennen sind. Seltener tritt Flüssigkeit oder Blut aus der Brustwarze aus.
Bei etwa zwölf Prozent aller Brustkrebserkrankungen tritt der Tumor in den Drüsenläppchen auf. Diese Tumorart wird als invasives lobuläres Karzinom bezeichnet. Problematisch ist, dass diese Form des Brustkrebses bei der Tast-untersuchung oft nicht gefunden wird. Hier können erfahrene Radiologen durch Mammografie oder Kernspintomografie die Diagnose stellen.
Invasive Karzinome können sich über ihren Ursprungsort (Drüsenläppchen oder Milchgänge) hinaus über die Lymphknoten der Achselhöhle bis in die Muskulatur der Brust und in die Bindegewebsschichten ausbreiten. In besonders fortgeschrittenen Fällen können die Tumorzellen über den Blutkreislauf in andere Organe des Körpers getragen werden – man spricht dann von Fernmetastasen.
Wichtige Faktoren für den Verlauf der Brustkrebserkrankung sind die Größe des Tumors, die Zahl der befallenen Lymphknoten in der Achselhöhle, der Grad der Aggressivität der Brustkrebszellen, der Hormonrezeptorstatus des Tumors und das Alter der betroffenen Frau. Je jünger die Frau zum Zeitpunkt der Erkrankung ist, desto schlechter ist die Prognose. Etwa 60 Prozent der jüngeren Patientinnen vor den Wechseljahren und ca. 70 bis 80 Prozent der Brustkrebspatientinnen nach den Wechseljahren haben einen hormonsensiblen Tumor, d.h. der Hormonrezeptorstatus ist positiv. Das Wachstum der Krebszellen ist in diesen Fällen von der Versorgung mit dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen abhängig. Hier kann durch eine Unterbindung (Inaktivierung) der Östrogenproduktion das Wachstum des Brustkrebses vermindert bzw. gestoppt werden (siehe Hintergrundinformation zur Anti-Hormontherapie).
Die Einteilung in Stadien der Erkrankung ist wichtig für die Behandlung und die Prognose für das Überleben. Man unterscheidet folgende Stadien:
Merkmale | 5-Jahres-Überlebensrate (rückfallfrei) | |
---|---|---|
Stadium I | Tumordurchmesser ≤ 2 cmKein Befall der Lymphknoten in der Achselhöhle | » 85% |
Stadium II | Tumordurchmesser > 2 cm oder ≤ 2 cmBefall der Lymphknoten in der Achselhöhle | » 65% |
Stadium III | z.B. lokal fortgeschrittene (große) Tumore ≤ 5 cm | » 40% |
Stadium IV | Brustkrebs mit Tochtertumoren/Befall anderer Organe, z.B. Lunge, Leber, Knochen | » 10% |
Die Ursachen für das Auftreten von Brustkrebs sind bisher noch nicht völlig geklärt. Bekannt sind jedoch Risikofaktoren, die das Entstehen der Erkrankung begünstigen. Dazu zählen unter anderem folgende Faktoren:
Die Behandlung von Brustkrebs ist abhängig von der Art des Brustkrebses und dem Stadium zum Zeitpunkt der Diagnose. Man unterscheidet folgende Therapieformen:
Operation: Die operative Entfernung des Tumors ist in der Regel die erste Behandlungsmaßnahme. Viele Frauen haben große Angst, dass die Operation gleichbedeutend ist mit Brustamputation (Entfernung der Brust). Zum Glück bestätigt diese Befürchtung sich oft nicht: Heute kann in zwei von drei Fällen eine brusterhaltende Operation durchgeführt werden. Bei jeder Brustkrebsoperation werden auch die Lymphknoten der Achselhöhle untersucht. Sind auch sie von Tumorzellen befallen, müssen sie entfernt werden. Ist eine Entfernung des Tumors nicht möglich ohne die Brust zu erhalten, können später brustaufbauende Operationen mit Implantaten oder mit körpereigenem Gewebe vorgenommen werden.
Nach der Operation diskutieren die behandelnden Ärzte die vorliegenden Befunde und legen fest, welche weiteren Therapien notwendig sind (Bestrahlung, Chemotherapie und/oder Anti-Hormontherapie).
Bestrahlung: In aller Regel schließt sich an die Operation eine Strahlentherapie an, die lokale Rückfälle verhindern soll. Die Bestrahlung erfolgt über einen Zeitraum von mehreren Wochen, meist mit vier bis fünf Terminen pro Woche. Als Nebenwirkungen der Bestrahlung können Hautveränderungen im Bestrahlungsfeld, Übelkeit, Kopfschmerzen, Veränderungen im Blutbild und „bleierne“ Müdigkeit (Fatigue) auftreten.
Auch wenn in einem späteren Stadium der Erkrankung Metastasen auftreten, kann die Bestrahlung eingesetzt werden, häufig in Kombination mit anderen Therapien, z.B. mit Chemo- und/oder Anti-Hormontherapie. Die Strahlen können die Metastasen teilweise oder ganz zurückdrängen (Teil- oder Vollremission), was den Patientinnen wertvolle Lebenszeit bis zur erneuten Bildung von Tochtertumoren schenkt und eine Linderung der Schmerzbeschwerden bringt.
Chemotherapie: Vor allem jüngere Frauen und Patientinnen mit ungünstigen Prognosekriterien erhalten eine Chemotherapie (systemische Therapie). Ungünstige Prognosekriterien sind z. B. ein besonders aggressives Wachstum des Tumors oder wenn bereits Tochtertumore (Metastasen) aufgetreten sind. Die Wahl der Medikamente und ihre Kombination ist abhängig von der Erkrankungssituation und dem allgemeinen Zustand der Patientin. Meist werden Zytostatika eingesetzt – Substanzen, die die Zellteilung hemmen und somit schnellwachsende kranke, aber auch gesunde Zellen zerstören. Die Behandlung mit Zytostatika folgt in der Regel einem bekannten und bewährten Behandlungsplan (Therapieschema), der die Dosierung der Medikamente und den zeitlichen Abstand der Verabreichung festlegt. Der Behandlungsplan umfasst drei bis sechs Chemotherapiezyklen, zwischen denen ein- bis vierwöchige Behandlungspausen liegen. Die Behandlungspausen dienen der Stabilisierung und der Regeneration der Patientin. Nicht selten treten mit der Chemotherapie Nebenwirkungen wie Erbrechen, Durchfall, Müdigkeit und Schleimhautprobleme, Infektionen, Haarausfall und einen starke Verminderung der roten und weißen Blutzellen und der Blutplättchen auf. Um die Nebenwirkungen zu lindern, werden häufig Zusatzbehandlungen durchgeführt.
Anti-Hormontherapie: Die Anti-Hormontherapie oder auch endokrine Therapie wird eingesetzt, wenn die Brustkrebszellen ein hormonabhängiges Wachstum aufweisen. Man spricht dann von einem Hormonrezeptor-positiven Tumor. Die hormonsensiblen Brustkrebszellen werden durch die weiblichen Östrogene und Gestagene im Wachstum angeregt. Eine Hemmung oder Ausschaltung (Inaktivierung) der Östrogenproduktion kann das Wachstum der Tumorzellen verringern oder stoppen. Für Frauen vor und nach den Wechseljahren kommen verschiedene Therapieansätze zur Anwendung.
Das lange bewährte Standard-Medikament in der Anti-Hormontherapie ist das Anti-Östrogen Tamoxifen. Es wird über fünf Jahre eingenommen und hat bei sehr vielen Frauen erhebliche Nebenwirkungen. Inzwischen wurden die Anti-Aromatase-Wirkstoffe entwickelt – sie haben eine bessere Wirksamkeit und dabei weniger Nebenwirkungen. Die neuen Wirkstoffe werden bisher vorwiegend für Frauen mit fortgeschrittenem, also bereits metastasiertem Brustkrebs eingesetzt. Doch aktuelle Daten legen es nahe, Patientinnen auch schon in einem früheren Stadium der Erkrankung mit Anti-Aromatase-Wirkstoffen zu behandeln.
Egal, ob eine Patientin „nur“ eine Operation und Bestrahlung oder auch anschließende Chemo- und jahrelange Anti-Hormontherapie erhalten hat – irgendwann wird sie vom Arzt entlassen. Jetzt beginnt die wichtige Zeit der Nachsorge. Denn Brustkrebs zählt zu den chronischen Erkrankungen, das heißt er kann selbst nach zehn und sogar zwanzig Jahren an der gleichen Stelle (Lokalrezidiv) oder anderswo im Körper (Fernmetastasen) wieder ausbrechen. Für die Frauen beginnt eine Zeit der großen Unsicherheit, weil sie nicht mehr automatisch vom Arzt betreut werden. Bin ich geheilt? Kommt der Krebs wieder? Worauf muss ich achten? Viele Betroffene werden spätestens jetzt anfangen, sich mit den Hintergründen ihrer Erkrankung und mit Möglichkeiten, ihr Immunsystem wieder zu stabilisieren, auseinander zu setzen. Für die Verarbeitung des Erlebten und des großen Lebenseinschnitts, den die Diagnose Brustkrebs bedeutet, kann eine psychoonkologische oder psychotherapeutische Betreuung hilfreich sein. Auch Selbsthilfegruppen können durch Austausch und Informationen wertvolle Unterstützung liefern. Nach Ansicht vieler Selbsthilfegruppen sind die Angebote für Nachsorge in Deutschland nicht ausreichend. Zwar hat die Patientin ein Recht auf eine halbjährliche Mammografie der operierten Brust und eine jährliche der gesunden Brust – aber Röntgenaufnahmen, Skelettszintigrafien, Computer- und Magnetresonanztomografien sind nur zum Nachforschen bei vorliegenden Symptomen und unklaren Befunden vorgesehen. Die Nachsorge beim Arzt sollte zumindest ein ausführliches Gespräch, ein großes Blutbild und eine eingehende körperliche Untersuchung umfassen, bei der vor allem auf Anzeichen für Bildung von Metastasen in Knochen, Lunge oder Leber geachtet wird.
In der Zeit der Nachsorge ist es wichtig, dass die Betroffenen zu Expertinnen in eigener Sache werden, die Warnzeichen ihres Körpers ernst nehmen und bei verdächtigen Veränderungen den Arzt aufsuchen. Außerdem empfehlen Selbsthilfegruppen, sich über neue wissenschaftliche Studien zu informieren, etwa wenn es um neue Möglichkeiten der Früherkennung geht. Denn davon würden auch Patientinnen profitieren, die ihre Behandlung bereits hinter sich haben und alles tun wollen, um einen Rückfall zu vermeiden.