Die menschliche Leber ist ein lebenswichtiges, hoch kompliziertes Organ mit vielfältigen Aufgaben für den Stoffwechsel. Eine ihrer Hauptaufgaben ist die Filterung des Blutes, infolge dessen sie stark durchblutet ist. Daher ist die Leber auch der Ort, an dem sich Tochtergeschwülste von bösartigen Tumorerkrankungen des Verdauungstraktes, sogenannte Metastasen oder sekundäre Leberkarzinome ansiedeln. Bei rund einem Drittel der ca. 70.000 Menschen, die pro Jahr in Deutschland neu an Dickdarmkrebs erkranken, entwickeln sich deshalb Lebermetastasen, zum Teil erst Jahre nach Entfernung des Dickdarmkrebses.
Im Vergleich dazu ist der primäre Leberkrebs, der auch als Leberzellkarzinom oder hepatozelluläres Karzinom bezeichnet wird, noch eine relativ seltene Tumorerkrankung.Ein primäres Leberzellkarzinom entsteht in über 80 Prozent der Fälle infolge einer Leberzirrhose, des Endstadiums einer chronischen Lebererkrankung, bei dem das Lebergewebe knotenartige durchsetzt und somit zustört ist.
Etwa 10 - 20 Prozent der Zirrhosepatienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung ein primäres Leberzellkarzinom. Das primäre Leberzellkarzinom zeigt sich meist zwischen dem 50. und dem 70. Lebensjahr. Doch die Zahlen sowohl des primären, wie auch des sekundären Leberkarzinoms (Metastasen) steigen stetig. Ein Problem der Erkrankung ist, dass sie häufig erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird, wenn der Tumor schon relativ gross ist. Auch wenn eine Operation die bestmögliche Therapie gegen den Leberkrebs ist, sinken diese Chancen mit zunehmender Grösse des Tumors. Denn bei der Entfernung müssen auch Blutgefäße entfernt werden, die Gebiete der Leber mit Blut versorgen und nicht direkt vom Tumor betroffen sind. Dies macht die Operation zu einer echten chirurgischen Herausforderung.
„Glücklicherweise können wir heute Lebermetastasen und auch primäre Leberzellkarzinome, welche unbehandelt zum Tode führen würden, in sehr vielen Fällen mit einer Operation vollständig entfernen”, sagt Chirurg Prof. Fangmann, der beim deutschen Pionier für Lebertransplantationen Professor Pichlmayr in Hannover sein Handwerk gelernt hat. Früher war es aufgrund der komplexen Anatomie der Leber und ihrer zentralen Stellung im Stoffwechselprozess nicht möglich, Lebermetastasen, bösartige Primärtumoren, oder bösartige Tumore der Gallenwege mit chirurgischen Mitteln zu entfernen.
Erst in den letzten 15 Jahren wurden Techniken entwickelt, große Operationen an der Leber erfolgreich durchzuführen und den Patienten so ein Überleben zu sichern. Insbesondere gelingt dies durch die Kombination unterschiedlicher Behandlungsverfahren vor der eigentlichen Operation. Mögliche Therapiekombinationen sind beispielsweise eine Chemotherapie, eine radiofrequenzinduzierte Thermotherapie (RFA, Radiofrequenzablation) oder die Chemoembolisation (TACE, Verödung der kleinen tumorversorgenden Gefäße). Diese Verfahren helfen den Patienten, bei denen eine sofortige Operation aufgrund der Größe, der Anzahl oder der Tumorlage zunächst nicht möglich ist.
„Mit diesen Verfahren können wir viele Tumore in eine operable Situation überführen und damit Heilung bewirken. Selbst Patienten in höherem Alter kann so die Möglichkeit einer heilenden Leberoperation eröffnet werden”, sagt Prof. Fangmann. Denn wenn ein Teil der Tumore in der Leber so erfolgreich vorbehandelt wurden, können erfahrene Leberchirurgen dann die befallenen Leberbereiche entfernen, in vielen Fällen sogar minimalinvasiv. Damit habe sich in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel in der Behandlung von Tumorerkrankungen der Leber vollzogen.
Das wichtigste chirurgische Verfahren zur Behandlung von Leberkrebs ist die Leberteilentfernung auch Leberteilresektion genannt. In einzelnen Fällen kann sogar bei Befall beider Leberlappen die Entfernung des einen Leberlappens mit einer Tumorentfernung im zweiten Leberlappen kombiniert werden. Das Ziel der Operation ist immer, den Tumor vollständig zu entfernen und somit die Erkrankung zu heilen. Eine Leberteilentfernung kommt immer dann in Frage, wenn der Tumor auf die Leber beschränkt ist und mit einem genügend grossen Abstand zum gesunden Gewebe entfernt werden kann. Obwohl die Leber als einziges solides Organ des Körpers die Fähigkeit hat, nach einer erfolgreichen Operation wieder auf die, ihren Aufgaben gemässe Grösse, nachzuwachsen, darf die Leberfunktion durch die Teilentfernung nicht zu sehr eingeschränkt werden.
Um die medizinische Versorgung der Patienten in Karl-Olga Krankenhaus weiter zu optimieren, arbeitet Professor Fangmann und sein Team derzeit am Aufbau eines Leber-Galle-Zentrums. Dies soll nach dem Vorbild des zertifizierten Darmzentrums, dessen Leiter Prof. Fangmann ist und wo interdisziplinär mit der Inneren Klinik I für Gastroenterologie und Infektiologie des Karl-Olga-Krankenhauses, sowie mit externen Kooperationspartnern sehr eng zusammengearbeitet wird, aufgebaut werden.
Für Patienten mit Leber- oder Gallengangstumoren wurde am Karl-Olga-Krankenhaus daher eine spezielle Tumor-Sprechstunde eingerichtet, in der alle Patienten vom Chefarzt selbst diagnostiziert und dann auch operiert werden.
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