Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schmerzen oder Muskelschwäche – all das können Anzeichen einer Polyneuropathie sein. Sie zählt zu den häufigsten Erkrankungen des peripheren Nervensystems, ist aber oft schwer zu erkennen.
Die Polyneuropathie ist keine einzelne Krankheit, sondern ein Sammelbegriff für Nervenschädigungen, die durch viele Ursachen ausgelöst werden können. In Deutschland sind schätzungsweise 5–8 % der Bevölkerung betroffen, besonders häufig ältere Menschen.
Dabei werden gleichzeitig mehrere periphere Nerven geschädigt – meist sensible, motorische und autonome Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Die Folgen reichen von Missempfindungen bis zu schweren Bewegungseinschränkungen.
Die diabetische Polyneuropathie ist die häufigste Form weltweit. Dauerhaft erhöhter Blutzucker schädigt Blutgefäße und Nerven, besonders in Füßen und Beinen. Folgen: Taubheitsgefühle, Schmerzen und schlecht heilende Wunden.
Chronischer Alkoholkonsum wirkt direkt giftig auf Nerven und verstärkt durch Vitaminmangel (B1, B12) das Risiko einer Polyneuropathie.
Fehlt es an Vitamin B1, B6, B12, Folsäure oder Vitamin E, steigt die Wahrscheinlichkeit für Nervenschäden erheblich.
Bestimmte Chemotherapeutika (z. B. Cisplatin, Taxane, Vincristin), Antibiotika oder antivirale Mittel können Nervenschäden auslösen.
Borreliose, HIV, Hepatitis C, Herpes Zoster und andere Infektionen können die Nerven entzünden.
Krankheiten wie das Guillain-Barré-Syndrom, CIDP oder systemische Autoimmunerkrankungen wie Lupus oder Rheuma greifen ebenfalls das Nervensystem an.
Seltene erbliche Neuropathien, etwa die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit, gehören ebenfalls zu den Auslösern.
Kontakt mit Schwermetallen (Blei, Quecksilber, Arsen) oder Lösungsmitteln kann Nervenschäden hervorrufen.
In rund 20 % der Fälle bleibt die Ursache ungeklärt – man spricht von idiopathischer Polyneuropathie.
Die Beschwerden entwickeln sich schleichend und beginnen oft in den Füßen („Sockensymptomatik“). Typische Symptome:
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um Folgeschäden zu verhindern.
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und hat drei Ziele: Grunderkrankung behandeln, Symptome lindern, Lebensqualität steigern.
Klassische Schmerzmittel helfen oft wenig. Wirksam sind:
Nur selten notwendig, z. B. bei mechanischen Nervenschädigungen.
Die Krankheit kann auch die Sexualität beeinträchtigen:
Hilfreich sind: offenes Gespräch mit Partner, ärztliche Beratung, Hilfsmittel (z. B. Gleitgele, PDE-5-Hemmer), Sexualtherapie.
Selbsthilfegruppen bieten Austausch, Wissen und emotionale Unterstützung. Beispiele:
Auch Online-Foren & Facebook-Gruppen sind hilfreich.
Die Forschung eröffnet neue Perspektiven:
Auch in klinischen Studien gibt es Fortschritte.
Beispielsweise untersucht die DRKS-Studie „NeuroPNP-US“ (DRKS00005253), wie Ultraschallbefunde bei Polyneuropathie eine präzisere Diagnose ermöglichen können (DRKS-Studie ansehen).
Ein weiterer Forschungsansatz stammt vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DZD). Dort werden neue Biomarker der Entzündung als Risikofaktoren für Neuropathien getestet – mit dem Ziel, Erkrankungen früher zu erkennen und gezielter zu behandeln (Studienbericht DZD).
Die Entwicklung schreitet schnell voran – es wächst Hoffnung auf bessere Behandlungsmöglichkeiten und individuelle Therapien in naher Zukunft.
Polyneuropathie ist vielschichtig, aber behandelbar. Mit moderner Diagnostik, gezielter Therapie und einem ganzheitlichen Ansatz können Betroffene ihre Lebensqualität verbessern. Wichtig sind: offene Kommunikation mit Ärzten, gesunde Lebensweise, Austausch in Selbsthilfegruppen und bewusster Umgang mit Sexualität und Alltag.
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